Es war die rüstungspolitische Nachricht vom vergangenen Freitag: Rüstungsexporte der Bundesregierung an Saudi-Arabien und Jordanien sind gestoppt. "Die Bundesregierung wird ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese am Jemen-Krieg beteiligt sind." So steht es im Sondierungspapier von Union und SPD, nochmals bekräftigt per Twitter von Regierungssprecher Steffen Seibert: "Zur Präzisierung: Die Bundesregierung trifft bei Rüstungsexportgenehmigungen derzeit keine Entscheidung, die nicht mit dem Sondierungsergebnis in Einklang steht." Das ist erfreulich. Aber nur einer von diversen Punkten zur Rüstungspolitik im Sondierungspapier, das die Grundlage bildet für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD. Die Sondierungsergebnisse wurden schon im Vorfeld hitzig diskutiert. Was allerdings selbst bei Kritikern so gut wie keine Rolle gespielt hat, waren die friedens- beziehungsweise militärpolitischen Passagen des Sondierungspapiers.
Es beginnt mit Absätzen zur Europäischen Union, die als "historisch einzigartiges Friedens- und Erfolgsprojekt" bezeichnet wird. Aufgrund zunehmender Großmachtkonflikte sei sie aber gezwungen, ihr "Schicksal mehr als bisher in die eigenen Hände [zu] nehmen." Hierfür müsse die "europäische Außen- und Sicherheitspolitik [...] im Sinne einer Friedensmacht Europa gestärkt werden." Zu diesem Zweck wolle man vor allem die "Zusammenarbeit bei der Sicherheits- und Verteidigungspolitik (PESCO) stärken."
Das "historische Friedensprojekt" EU in einem Atemzug mit einer Stärkung von PESCO (Abkürzung für "Permanent Structured Cooperation", deutsch "Ständige Strukturelle Zusammenarbeit") zu nennen, dem aktuell wohl wichtigsten Projekt zur Militarisierung der EU, ist mittlerweile zwar bekannt, das macht es aber nicht besser. Darüber hinaus lehnt man zwar "völkerrechtswidrige Tötungen durch autonome Waffensysteme" ab, will aber gleichzeitig "im Rahmen der europäischen Verteidigungsunion die Entwicklung der Euro-Drohne weiterführen."
Weiter wird im Sondierungspapier die Absicht geäußert, Waffenausfuhren generell eindämmen zu wollen: "Wir schränken die Rüstungsexporte weiter ein, schärfen die Rüstungssexportrichtlinien aus dem Jahr 2000 und reagieren damit auf die veränderten Gegebenheiten." Hier handelt es sich schon um eine recht weitreichende Realitätsverzerrung, schließlich sind die Exportgenehmigungen während der letzten GroKo nahezu jedes Jahr angestiegen und haben mit über 10 500 im Jahr 2016 fast ein Allzeithoch erreicht.
SPD kann keine Fragen zu Rüstungsexporten beantworten
Dass die Bereitschaft, die "Rüstungsexporte einzuschränken", auch bei den Sozialdemokraten ihre Grenzen hat, zeigt aktuell unter anderem ein Bericht von "Report München" vom 16. Januar 2018. Der Praxis, deutsche Exportrichtlinien durch Firmenniederlassungen im Ausland zu umgehen – wie beispielsweise die geplante Rheinmetall-Niederlassung in der Türkei – , könne theoretisch rechtlich Einhalt geboten werden, berichtet "Report" mit Verweis auf den Wissenschaftliche Dienst des Bundestags. Dies werde von Linke und Grünen befürwortet, von CDU/CSU und AfD abgelehnt. Interessant ist dabei die Haltung der SPD. Die Redaktion wurde mit ihrer Anfrage zunächst an den SPD-Parteivorstand verweisen, der wiederum verwies zurück an die Fraktion. "Am Ende teilte die Pressestelle mit, man könne die Fragen von Report München nicht beantworten", so das Magazin.
Ein weiterer großer Teil der militärpolitischen Passagen im Sondierungspapier beschäftigt sich mit den aktuellen Bundeswehr-Einsätzen. Der aktuelle Anti-IS-Einsatz, bei dem kurdische Peschmerga-Kämpfer durch die Bundeswehr "ertüchtigt", also aufgerüstet und ausgebildet werden, soll augenscheinlich verstetigt und auf weitere Teile des Irak ausgedehnt werden. Man wolle das "Mandat zur umfassenden Stabilisierung und zur nachhaltigen Bekämpfung des IS-Terrors insbesondere durch capacity building weiterentwickeln." Auch die Bundeswehr-Beteiligung an der "UN-mandatierte Mission MINUSMA in Mali wird fortgesetzt", steht im Sondierungspapier.
Ein richtiger Kracher ist die Erhöhung des aktuell 980 Soldaten umfassenden Bundeswehr-Kontingentes für die Resolute Support Mission der NATO in Afghanistan. Während genau das in Berlin noch im November 2017 deutlich abgelehnt worden war, heißt es nun lapidar, man müsse die "Zahl der eingesetzten Soldatinnen und Soldaten zum Schutz der Ausbilder erhöhen."
2 Kommentare verfügbar
Andromeda Müller
am 04.02.2018danke für diesen kritischen Artikel !
Schön , daß mal jemand die Militarisierung der deutschen Politik nach braunem und blau-weiß rotem Muster thematisiert .
Diese ist das "Tool" der neo"liberalen" Politik , ursächlich für Flucht und Vertreibung und soialer Verelendung…