Jürgen Grässlin ist kein Freund zurückhaltender Formulierungen. In einem "Sieben-Jahres-Schlaf" befänden sich die Landes-Grünen seit Übernahme der Regierungsverantwortung, was die baden-württembergische Rüstungsindustrie angehe, ätzte der prominente Freiburger Rüstungsgegner Anfang Juli bei der Vorstellung des <link http: www.imi-online.de ruestungsatlas-baden-wuerttemberg external-link-new-window>Rüstungsatlas Baden-Württemberg in Stuttgart. Die Härte der Kritik hängt auch mit den Erwartungen zusammen, die die Partei noch in ihrem Landtagswahlprogramm 2011 geweckt hatte. Unter der Überschrift "Frieden statt Waffen exportieren" standen darin Sätze wie: "Zu einer verantwortungsbewussten Politik gehört auch der kritische Umgang mit der baden-württembergischen Rüstungsproduktion und mit Rüstungsexporten", oder: "Wir setzen uns deshalb sowohl im Land als auch auf Bundes- und europäischer Ebene für den Umstieg dieser Industrien auf zivile Fertigung ein".
Letzteres ist ein klares Bekenntnis zur Rüstungskonversion, einer Idee, die unter dem Slogan "Schwerter zu Pflugscharen" (oder auch "Granaten zu Spaten", wie es der Kabarettist Wolfgang Neuss formulierte) zu den zentralen Inhalten der Friedensbewegung der siebziger und achtziger Jahre gehörte. Gefordert wurde eine Umstellung von militärischer auf zivile Produktion beziehungsweise Nutzung, um der immer weiter gedrehten Rüstungsspirale ökonomisch die Grundlage zu entziehen, die Logik des Militarismus zu durchbrechen.
Von entsprechenden Bemühungen der Südwest-Grünen seit 2011 ist nichts bekannt. Weshalb Grässlin die Landesregierung wieder einmal auffordert, "endlich Initiativen zur Rüstungskonversion des Landes Baden-Württemberg zu ergreifen, um eine sinnvolle, nachhaltige zivile Fertigung zu ermöglichen, die nicht zu Arbeitsplatzverlust führt".
Kirchen und Gewerkschaften verfolgen die Konversionsidee weiter
Die einstigen Weggefährten der Grünen aus den Zeiten der Friedensbewegung, Kirchen und Gewerkschaften, haben den Konversionsgedanken zumindest noch nicht fallen gelassen. So gibt es in der Evangelischen Landeskirche Baden seit Anfang 2016 das mit einer eigens geschaffenen Stelle besetzte <link http: www.kirche-des-friedens.de html content projekt_ruestungskonversion_und_ruestungsexport.html external-link-new-window>Projekt Rüstungskonversion und Rüstungsexport. Geleitet wird es von dem Politologen Kiflemariam Gebrewold, der als Entwicklungshelfer aus eigener Anschauung weiß, was deutsche Waffen etwa in Afrika anrichten. "Das Thema Konversion von Rüstungsbetrieben soll wieder auf die politische Agenda gesetzt werden", so der in Äthiopien geborene Gebrewold zum Ziel des Projekts.
Und auch in den Gewerkschaften wird immer noch – oder wieder – auf Zivilisierung der Betriebe gepocht. Nicht nur, aber vor allem dort wird als Auslöser der Konversionsdebatte und leuchtendes Beispiel immer wieder der so genannte "Lucas-Plan" beschworen: 1976 wehrten sich Beschäftigte der britischen Firma Lucas Aerospace, die unter anderem Rüstungsgüter herstellte, gegen drohende Massenentlassungen – indem sie unter anderem einen alternativen Geschäftsplan und neue Geschäftsfelder vorschlug, um die Produktion auf "sozial sinnvolle Produkte" umzustellen.
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Jana Klembergers
am 13.08.2017