Russmann hält Fölls Schreiben für "verharmlosend", nicht zuletzt, weil er unter den Ausstellern nur größtenteils zivile Unternehmen wie Festo, Canon oder Sony erwähne. Dabei hätten 2014 in Köln 110 Rüstungsunternehmen teilgenommen, darunter Branchengiganten wie Lockheed Martin, Rheinmetall und Thyssen-Krupp, die den Fachbesuchern aus Europa, den USA, China, Pakistan oder Saudi-Arabien ihre Technologien präsentiert hätten. Dass Föll ihm zudem geantwortet habe, "die Unterbringung von bis zu 2500 Flüchtlingen" in der Landesmesse spreche "bezüglich ihrer Frage zur Einhaltung der Menschenrechte für sich", findet Russmann überdies "zynisch". Denn eine Messe wie die Itec biete ja schließlich die Mittel an, Kriege zu führen – und so auch weitere Fluchtursachen zu schaffen. "Wenn die Itec 2018 in Stuttgart stattfindet, wird dort Krieg simuliert und trainiert", so Russmann, "das Töten per Mausklick perfektioniert und die entsprechende Software vertrieben; im Zweifel auch an kriegführende und menschenrechtsverletzende Regime."
Mindestens zwei Aufsichtsräte sind strikt gegen die Itec
Anders als Föll ist Stefan Urbat, der als Mitglied der Piratenpartei für die SÖS-Linke-Plus-Gemeinderatsfraktion im Aufsichtsrat der Landesmesse sitzt, kein Freund der Itec, genausowenig wie seine gesamte Fraktion. "Wir sind strikt gegen die Messe", sagt Urbat. Ähnlich ablehnend äußert sich Grünen-Stadträtin Anna Deparnay-Grunenberg, die auch im Messe-Aufsichtsrat sitzt: "Das ist eine explizite Rüstungsmesse, das passt überhaupt nicht zu unserer Stadt", ärgert sie sich, überdies sei sie "sehr erstaunt" gewesen, dass sie und ihre Kollegen bisher noch nichts im Aufsichtsrat über die Itec erfahren hätten.
Am heutigen Mittwoch, den 12. Juli tagt der Aufsichtsrat wieder, die Itec soll auch auf der Tagesordnung stehen. Deparnay-Grunenberg will da auf jeden Fall ihre Kritik äußern. Doch könnte der Aufsichtsrat, eine Mehrheit vorausgesetzt, überhaupt die umstrittene Militärmesse stoppen? Urbat ist skeptisch, denn das Gremium habe wenig Möglichkeiten der Einflussnahme. "Die Geschäftsführung der Landesmesse macht die Abwicklung", so der Piraten-Stadtrat, "wir als Aufsichtsrat sind nur dazu da, die grobe Linie zu kontrollieren." Auch gegen Veranstaltungen der AfD und des Kopp-Verlags auf der Messe (<link https: www.kontextwochenzeitung.de politik rechtsrutsch-im-messegeschaeft-3551.html external-link-new-window>Kontext berichtete) habe man nichts ausrichten können.
Deparnay-Grunenberg will zumindest nicht vorab resignieren: Bei umstrittenen Veranstaltungen wie beim AfD-Parteitag sei es bislang tatsächlich so gewesen, dass die Rechtsstelle der Landesmesse trotz schwerer Bedenken des Aufsichtsrats von einer Kündigung abgeraten habe, "weil ein hohes rechtliches Risiko bestehe – am Ende hätte man die Gerichtskosten zahlen müssen und die Veranstaltung trotzdem gehabt". Im Falle der Itec kann die Grüne indes noch nicht sagen, ob dieses Risiko ebenfalls bestehe, denn sie wisse noch gar nicht, was die Aufsichtsräte von der Landesmesse als Empfehlung bekommen werden.
Zur Aufsichtsratssitzung am Mittwoch, dem 12. Juli, will jedenfalls auch Russmann ab 16 Uhr am Tagungsort sein, beim Messehaupteingang Ost, um vor den eintreffenden Aufsichtsräten gegen die Militärmesse zu protestieren. Schon am Montag hat er einen Appell an Bürgermeister Föll geschickt: "Folgen Sie dem Beispiel Köln. Kündigen Sie den Vertrag mit dem Veranstalter der Itec!"
Info:
Noch bis zum 16. Juli findet bundesweit eine <link https: www.ohne-ruestung-leben.de mitmachen aktionswoche-gegen-ruestungsexporte.html external-link-new-window>Aktionswoche gegen Rüstungsexporte statt, mit Terminen u.a. in Herrenberg, Konstanz (13.7.), Heidelberg, Mössingen und Tübingen (14.7.)
2 Kommentare verfügbar
Schwa be
am 13.07.2017Auch der weiter unten verlinkte Artikel bietet meines Erachtens äußerst interessante (aufklärerische und informative) Einblicke. Insbesondere die Erwähnung und die unrühmliche Rolle des "Tiefen Staates" als Kriegstreiber (nicht nur) in Syrien. Sehr lesenswert.…