Hintergrund der Nettostandardrente vor und nach Steuern ist die sogenannte nachgelagerte Besteuerung. Die vom Arbeitseinkommen zu bezahlenden Rentenversicherungsbeiträge werden seit 2005 schrittweise von der Steuer freigestellt, die ausbezahlten Renten werden im Gegenzug schrittweise besteuert. Wer 2016 in Rente ging, muss über die ganze Zeit seines Rentenbezuges 72 Prozent seiner Rente versteuern. Wer 2017 in Rente geht, muss 74 Prozent, wer dieses Jahr in Rente geht, bereits 76 Prozent der Rente versteuern. Bis zum Renteneintrittsjahrgang 2020 steigt der Satz um jährlich zwei Prozentpunkte, ab 2021 um einen Prozentpunkt, sodass Rentner, die 2040 oder später in Rente gehen, ihre Rente komplett versteuern müssen. Ein alleinstehender "Standardrentner", der 2016 in Rente geht, muss knapp 40 Euro Steuern zahlen. Die Nettostandardrente von 1197 € vor Steuern beträgt also nach Steuern nur noch rund 1157 €.
Der Betrag, durch den die Nettostandardrente nun geteilt wird, um das "Nettostandardrentenniveau vor Steuern" zu erhalten, ist aber weder das durchschnittliche Brutto-- noch das Nettoeinkommen, sondern ein fiktiver Wert dazwischen, der auf keiner Lohnabrechnung auftaucht und sich auch aus keiner Lohnabrechnung errechnen lässt.
Gerechnet wird mit fiktiven Werten
Vereinfacht erklärt ist dieser Wert der Bruttoeinkommen abzüglich der Abgaben zur Sozialversicherung und der durchschnittlichen Ausgaben für "Riesterrenten". Das ist aber sehr vereinfacht gesprochen, da mit den "durchschnittlichen" Abgaben zur Sozialversicherung gerechnet wird und damit auch Einkommen in die Berechnung eingehen, für die prozentual weniger oder gar keine Abgaben zur Sozialversicherung gezahlt werden müssen. Der langen Rede kurzer Sinn: Dieser fiktive Wert lag 2016 bei 2 490 € pro Monat. Das Nettostandardrentenniveau ergibt sich nun, wenn man die Nettostandardrente vor Steuern durch den Fiktivwert teilt. Ergebnis: Das "Nettostandardrentenniveau vor Steuern" 2016 betrug 48,1 Prozent.
Doch was das Nettostandardrentenniveau praktisch bedeutet, wird erst deutlich, wenn man die Nettostandardrente ins Verhältnis zum tatsächlichen Nettodurchschnittseinkommen setzt. Da das Nettoeinkommen unter anderem davon abhängt, in welcher Steuerklasse man ist, in welcher Krankenversicherung und ob man Kirchensteuer zahlt, lässt sich eine allgemeingültige Relation von Nettorente und Nettoeinkommen kaum berechnen. Stellen wir uns also eine in Baden-Württemberg lebende alleinstehende Person vor, die 45 Jahre lang genau das Durchschnittseinkommen verdient hat und im Laufe des Jahres 2016 in Rente ging. Sie hat keine Kinder, keine über die Pauschale hinausgehenden Werbungskosten, zahlt den durchschnittlichen Eigenbeitrag zur Krankenversicherung und ist Kirchenmitglied. Ihr letztes Einkommen lag bei 3016 Euro brutto und rund 1889 Euro netto pro Monat. Die Nettostandardrente nach Steuern von 1157 Euro entsprach damit 61,2 Prozent ihres letzten Nettoeinkommens.
Diese Zahl ist die einzige Größe, die Rentner wirklich interessiert, nicht das abstrakte Rentenniveau, das mit 48,1 Prozent wesentlich unter diesem Wert liegt. Läge das Rentenniveau bei 53 Prozent, wie es zum Beispiel Die Linke fordert, würdenalleinstehende Standardrentner eine Nettorente nach Steuern in Höhe von rund 1260 Euro erhalten. Das wären im Beispiel der alleinstehenden Person rund 66,7 Prozent des letzten Nettoeinkommens.
Der Durchschnittsrentner kriegt viel weniger als die Standardrente
Die Standardrente ist allerdings alles andere als ein Durchschnittswert, obwohl sie in vielen Medien immer wieder als Durchschnittsrente bezeichnet wird. Viele Menschen verdienen weniger als das Durchschnittseinkommen, und vielen gelingt es auch nicht, 45 Jahre erwerbstätig zu sein. Und so liegt die Durchschnittsrente tatsächlich deutlich unter der Standardrente. Die Zahlbeträge der Altersrenten lagen 2016 bei durchschnittlich 819 Euro im Westen und 1012 Euro im Osten. Differenziert nach Männern und Frauen ergibt sich folgendes Bild: Die Frauen im Osten erhielten 894 Euro, die West-Frauen 606 Euro. Die Männer in den neuen Bundesländern bekamen 1171 Euro, die in den alten Bundesländern 1096 Euro.
Allerdings ist für viele SeniorInnen die gesetzliche Rente nicht die einzige Einnahmequelle. Viele RentnerInnen haben zusätzlich zu ihrer gesetzlichen Rente Einkünfte aus betrieblichen oder privaten Renten, aus Zinsen, Dividenden oder aus der Vermietung von Immobilien. Deswegen müssen bei der Beurteilung, ob die Rente ausreicht, die gesamten Haushaltseinkommen betrachtet werden.
5 Kommentare verfügbar
D. Hartmann
am 26.01.2018Ein Aspekt kommt aber zu kurz:
Die Rentenkürzungen seit Mitte der 90er Jahre dienten nur der Finanzierung der Wiedervereinigung. Mit ihnen wurde die Lücke in den Einnahmen der Rentenversicherung geschlossen, die durch den Beitritt der neuen Länder…