Wenn im Herbst die Städte mit der Haushaltsplanung beginnen, taucht ein Posten regelmäßig als größtes Sorgenkind auf: der öffentliche Nahverkehr. Steigende Kosten für Betrieb, Infrastruktur und neue Angebote reißen Löcher in die Kassen, die Kommunen kaum noch schließen können. Freiburg, Karlsruhe, Mannheim und Stuttgart sehen sich mit Defiziten in zweistelliger, teils dreistelliger Millionenhöhe konfrontiert. Längst ist klar: Ohne massive Finanzhilfen von Bund und Land geraten die Kommunen an ihre Grenzen. Schon heute führt der Druck vielerorts zu spürbaren Sparzwängen.
Die Finanzierung des ÖPNV ist kompliziert. Meist organisieren städtische Verkehrsbetriebe den Betrieb von Bussen und Straßenbahnen, hinzu kommen S-Bahnen der Deutschen Bahn und Angebote, die vom Land bestellt werden. Noch undurchsichtiger wird es in den kommunalen Haushalten: Mal tauchen Gelder dort als direkte Zuschüsse auf, mal als Defizitübernahmen oder auch Querverbünde über die Stadtwerke. Der Bundesrechnungshof spricht von einem "Förderdschungel", in dem Transparenz und Wirtschaftlichkeit verloren gehen. Um Licht in die Finanzierung zu bekommen, haben Land, Landkreistag und Städtetag Baden-Württemberg einen Finanzierungsreport erstellt.
Kommunen zahlen doppelt so viel wie 2018
2024 flossen in Baden-Württemberg demnach 3,3 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern in den Nahverkehr – knapp 300 Euro pro Einwohner. Den größten Sprung machten die Städte und Gemeinden: Ihr Zuschuss stieg von 48 Euro im Jahr 2018 auf heute 93 Euro. Während die Landesmittel leicht wuchsen, blieben die Bundeszuschüsse unverändert. Die Folge: Die Kommunen mussten ihre Beiträge fast verdoppeln. Angesichts der überproportionalen Belastung ist für Großstädte wie Stuttgart daher klar: "Bund und Land müssen sicherstellen, dass dem ÖPNV wesentlich mehr Geld zur Verfügung steht als bisher. Nur dies kann auf längere Sicht Angebotskürzungen wirksam verhindern", heißt es auf Anfrage.
Durch die Einnahmen aus den Ticketverkäufen ist das ÖPNV-Angebot nicht zu decken. Das vom Bund eingeführte Deutschlandticket hat die Finanzierungslücke für die Kommunen noch größer gemacht. Das Deutschlandticket wurde 2023 als Nachfolger des 9-Euro-Tickets eingeführt und hat den Tarifdschungel im ÖPNV für die Kund:innenseite deutlich vereinfacht. Für die kommunalen Verkehrsbetriebe hat das "im Bereich der Fahrgeldeinnahmen die Landschaft vollkommen verändert", betont die Stadt Mannheim. Bei den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) werden die Ticketeinnahmen seither zu 80 Prozent vom Deutschlandticket und damit von Bund und Ländern bestimmt. Der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) fordert Bund und Länder daher auf, ihrer "finanziellen Verantwortung nachzukommen", sonst drohten "substanzielle Einschränkungen" bei Bussen und Bahnen.
Stuttgart und Karlsruhe am Limit
Allein bei den SSB drohe ein jährliches Defizit von bis zu 200 Millionen Euro in den kommenden Jahren, warnt Nopper. "Wir müssen nunmehr leider auch beim ÖPNV auf die Kostenbremse treten", sagte er im Juli und kündigte den Verzicht auf mehrere Ausbauprojekte und Einschränkungen im ÖPNV an. Ein dichterer Takt und der geplante Nachtverkehr wurden aus- und der eingeschränkte Fahrplan auf der U8 fortgesetzt. 25 Millionen Euro sollen so eingespart werden. Nach Angaben der Stadtverwaltung beliefen sich die städtischen Ausgaben für den Stuttgarter Nahverkehr zuletzt auf rund 100 Millionen Euro pro Jahr. "Bis vor wenigen Jahren lag dieser Betrag noch bei rund 20 Millionen Euro."
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