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Verbrenner-Aus-Aus

Vorstandsvorsitzende Verbrennerverbrecher

Verbrenner-Aus-Aus: Vorstandsvorsitzende Verbrennerverbrecher
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Ex-Porsche-Chef Blume und Mercedes-CEO Källenius fordern das Verbrenner-Aus-Aus, lenken damit vom eigenen Versagen ab und ruinieren den schwäbischen Wirtschaftsstandort. So etwas passt nicht ins Stuttgarter Stadtbild, meint unser Kolumnist.

Die Nokia-Handys waren tadellose Teile. Sie überzeugten nicht nur als langlebige Taschentelefone, die es nur einmal im Schaltjahr ans Netzteil zu hängen galt, sondern dienten auch im Sinne der Selbstverteidigung als zuverlässige Hiebwaffe. Etliche Schädel meiner Feinde habe ich damit zertrümmert. Einmal fiel mir der Kommunikationskoloss sogar aus dem Fenster im sechsten Stock und hernach hatte der Gehweg ein Schlagloch. Derlei Vorzügen zum Trotz liegt das gute alte Nokia seit mehr als einem Jahrzehnt in meiner Wertstoffschublade für Elektroschrott. Doch würde ich es herauskramen, es hätte bestimmt noch zwei Balken Akku!

Eine Welt ohne Nokia war noch vor 20 Jahren kaum vorstellbar. Dann aber stellte uns Steve Jobs anno 2007 das iPhone vor. Seit jenem Tag hat der Börsenkurs der Apple-Aktie um 9.000 Prozent zugelegt. Und Nokia? Hat im März 2024 bekanntgegeben, dass keine Geräte mehr unter dem Namen "Nokia" verkauft werden. Zu peinlich. Stattdessen prangt auf den Tablets und Smartphones das Logo des finnischen Elektronikherstellers HMD.

So wie der Name Nokia ein Synonym fürs Handy war, galt auch der Mercedes-Stern als Inbegriff des Autos. In nicht allzu ferner Zukunft indes könnte der Stern zum Symbol der Innovationsverweigerung geworden und uns allen so peinlich sein, dass wir lieber das Logo einer chinesischen Staubsaugerfirma über die Stoßstange kleben.

Wer glaubt, schuld am Niedergang der Branche sei das geplante Verbrenner-Aus der EU, fällt auf einen billigen Trick der deutschen Automobilfirmenchefs herein. Der Kampf gegen das Verbrenner-Aus dient eher der eigenen Imagepflege. So lässt sich der Politik die Schuld geben und vom eigenen Versagen ablenken. Selbst wenn wir bis ins Jahr 3000 Verbrennungsmotoren fabrizierten: Der entscheidende Markt – das ist China – interessiert sich schlicht nicht mehr für deutsche Verbrenner.

Auch andere Märkte bevorzugen chinesische E-Autos. In Vietnam, in Thailand, in Brasilien, überall herrscht ein E-Auto-Boom. Aus einfachem Grund: Moderne Autobauer schaffen sich ihre Märkte selbst, indem sie ein günstigeres und überlegenes Produkt feilbieten. Preiswerte E-Autos deutschen Fabrikats hingegen gibt es so viele wie sympathische Bayern-München-Fans.

Oli und Ola können es einfach nicht

Die schwäbischen Karrenbauer kurven orientierungslos durch die neue Zeit. Das Irrlichtern hat zwei Gesichter: einerseits Teilzeitchef Oliver Blume, der die letzten Jahre neben dem Riesenkonzern Porsche auch noch ein kleines Wolfsburger Start-up namens Volkswagen gelenkt hat, und andererseits Mercedes-CEO Ola Källenius.

Blume investierte als letzte Amtshandlung vor seinem Rausschmiss nochmal kräftig in die Vergangenheit und nahm Milliarden in die Hand, um Porsche wieder Richtung Verbrenner zu drehen. Und Källenius, der seit 2020 ebenfalls Unsummen investierte, um Mercedes zu einer reinen Luxusmarke umzumodeln und bei jeder Gelegenheit "Luxus, Luxus, Luxus!" krakeelte, erklärte kürzlich, er habe nie von einer Luxus-Strategie gesprochen. Investorenlegende Warren Buffett prägte einmal den Leitspruch: "Man sollte nur in Firmen investieren, die auch ein absoluter Vollidiot leiten kann, denn eines Tages wird genau das passieren."

Anstatt den Wettbewerb anzunehmen, sucht die schwäbische Autoindustrie nach Ausreden. Der neueste geopolitische Einwand gegen den Elektrokurs: So gut wie jede Autobatterie komme aus China. Sollte Xi Jinping bald den Putin machen, müssten wir alle Bahn fahren. Stimmt schon: Man hätte sich hierzulande eher um eine eigene Batterieproduktion kümmern müssen. Statt nun aber endlich in die E-Pötte zu kommen, faselt man von der Optimierung des Verbrennungsmotors. Allein: Man kann an einem Verbrenner herumoptimieren und hin und her tüfteln, bis man selbst zur Zündkerze wird: Die Batterie bleibt überlegen.

Ein Verbrenner, also eine Wärmekraftmaschine, verwandelt 70 Prozent der Energie in Wärme: Das ist gut, wenn Sie eine Heizung auf Rädern brauchen, aber schlecht, wenn es um Bewegungsenergie geht. Und um die geht's halt beim Autofahren und eben weniger darum, auf der Motorhaube ein Omelett zu braten. Umgekehrt würden Sie's auch nicht begrüßen, wenn zwei Drittel Ihrer Heizkosten dafür draufgingen, dass Ihr Heizkörper durch die Wohnung rollt.

Gerade wir sparsamen Schwaben hätten eigentlich die Ersten sein müssen, die sich vom Verbrenner verabschieden: Wenn Sie für 80 Euro volltanken, zahlen Sie gut 56 Euro davon einfach nur dafür, dass Ihr Motor heiß wird. Daran ändern auch E-Fuels nichts. Verbrennungsmotoren sind Verschwendungsmotoren.

Die Erkenntnis quält, weil wir in Württemberg gut 100 Jahre lang zum Begriff "schwäbische Ingenieurskunst" onaniert haben, aber verglichen mit einem elektrischen Antrieb ist selbst der raffinierteste Verbrenner ein schlechter Witz. Beim E-Auto fließen 80 bis 90 Prozent der Energie tatsächlich in Bewegung. Im Wettbewerb gegen E-Autos auf ein Fahrzeug zu setzen, das Treibstoff überwiegend in Hitze verwandelt, ist, als würden Sie versuchen, mit alkoholfreiem Bier schneller betrunken zu werden als Ihr Gegenüber mit einer Pulle Obstler.

Aber unsere Motorenottos setzen auf Ottomotoren. Jüngst orakelte Källenius, es bedeute den Kollaps des europäischen Automarktes, hielte man am Vorhaben fest, ab 2035 keine Verbrenner mehr zuzulassen. Dabei ist seine E-Auto-Euphorie noch gar nicht lang verflogen. Man muss nur wenige Jahre in der Zeit zurückreisen, um sich in einem Paralleluniversum zu wähnen: "Mercedes begrüßt Verbrenner-Aus" titelte die "Bild"-Zeitung im Juni 2022.

"Källenius plant schon die nächste Revolution: Daimler prüft vorzeitiges Ende des Verbrenners", verheißt eine Handelsblatt-Schlagzeile aus dem Februar 2021. Im Interview von damals protzt der alte Schwede: "Wir haben eine bockstarke Marke, eine extrem hohe Technologiesubstanz und bei Elektrifizierung und Software mächtig Fahrt aufgenommen. Hier wollen wir führend sein. Möge der Beste gewinnen." Es sei denn, der Beste ist ein anderer. Dann soll bitte Papa Politik eingreifen.

Bei den chinesischen Kommunisten läuft's

Folglich ruft Källenius im Oktober 2025 beim Autokongress von "Auto Motor Sport" in Stuttgart: "Wir müssen chinesischer werden!" Der Vorstandsvorsitzende jener bockstarken Marke, dessen jährliches Gehalt in Höhe von zwölf Millionen Euro von neoliberalen Marktschreiern bekanntlich stets mit der "hohen Verantwortung" und unternehmerischem Risiko verargumentiert wird, verlangt nach starken stützenden Staatsschultern einer kommunistischen Einheitspartei.

In diesem Offenbarungseid des schwedischen Schwabenschwächers steckt nebenbei viel mehr, als der Westen wahrhaben will: Die chinesische Planwirtschaft schlägt die westliche Kein-Plan-Wirtschaft. Es mag den ein oder anderen FDP-Wähler überraschen, aber tatsächlich ist es ratsamer, eine politische, wirtschaftliche und ökologische Vision zu haben, statt einfach jeden irgendwie vor sich hin wursteln zu lassen.

Nun könnte uns das Scheitern der vorstandsvorsitzenden Verbrennerverbrecher einer Betrügerbranche egal sein, hinge nicht das Wohl der baden-württembergischen Landeshauptstadt und einer ganzen Region daran. Dass Stuttgarts Oberbürgermeister Doc Nopp in diesem Jahr mit einem Minus von rund 890 Millionen Euro rechnen muss, liegt eben nicht nur an seinen Spesenquittungen nach Wein- und Bierfesten, sondern auch am Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen aufgrund der schlechten Geschäfte bei Mercedes und Porsche.

Unter der Überschrift "Schaffe, schaffe, Job verliere" spottet sogar schon die Süddeutsche Zeitung und fragt: "Wird Stuttgart das zweite Detroit?" Nicht nur die ökonomischen, auch die politischen Konsequenzen wären verheerend: Noch hält das hiesige Vermögen den Zorn im Zaum, doch sollten die Schwaben tatsächlich verarmen, wird die Welt einen neuen Typus Wutbürger kennenlernen: Neben dem gebrochenen Südwesten wirkt Ostdeutschland dann wie ein sozialromantisches Utopia.

Dürfen wir noch auf Besinnung hoffen? Wohl kaum. Selbstkritik kennt ein CEO eher nicht. Der ehemalige Nokia-CEO Stephen Elop erklärte bei seiner Abschiedsrede unter Tränen: "Wir haben nichts falsch gemacht, aber irgendwie haben wir verloren."

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2 Kommentare verfügbar

  • Reinhard Gunst
    vor 3 Tagen
    Antworten
    Man sollte auch hier die Sachlage ganzheitlich betrachten. Sollen hierzulande alle Autos mit Strom betrieben werden, so muss eine gewaltige Menge an preiswertem Strom produziert werden, damit die E-Mobilität zu einem Massenprodukt wird. Da Deutschland hier auch in Zukunft die Hitliste im Strompreis…
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