Bei den anschließend eingeleiteten Ermittlungen scheitert die Aufklärung allerdings an Erinnerungslücken der drei Verdächtigten, die sich gegenseitig nicht beschuldigen wollen beziehungsweise gar nicht beschuldigen können, da bedauerlicherweise das Gedächtnis aussetzt. Hausdurchsuchungen lehnt das Amtsgericht Hamburg zunächst "aus Gründen der Verhältnismäßigkeit" ab. Nur durch den beharrlichem Einsatz des Anwalts der Geschädigten korrigierte das Hamburger Landgericht diese Einschätzung schließlich. Zur Durchsuchung kommt es aber erst im Februar 2023, knapp sechs Jahre nach der Tat.
Überraschenderweise konnte trotz des langen Verzugs relevantes Material sichergestellt werden. Bei der Hamburger Polizei, die für die Ermittlungen zuständig war, heißt es in einem internen Vermerk, es seien verschiedene technische Geräte beschlagnahmt und forensisch ausgewertet worden, deren Inhalte "den Verdacht erhärten, dass es sich bei dem Beschuldigten [Jäger] um den Täter handelt. Zusätzlich wurden als Zufallsfunde diverse Gesprächsinhalte festgestellt, die auf eine hohe Gewaltbereitschaft und menschenverachtendes Verhalten des Beschuldigten [Jäger] schließen lassen".
Als ein Chatpartner den Verdächtigten etwa wenig subtil mit "Du Hamburger Schlächter" anredet, ist der sich sicher: "Mich kriegen sie nicht!" Damit sollte er schlussendlich auch recht behalten. So entschied sich die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg nach langjährigen Ermittlungen dagegen, Anklage gegen Jäger zu erheben. Es habe zwar reichlich Hinweise gegeben, "dass dieser im Verlaufe der Hamburger Einsätze Gewalt angewendet und Gefallen hieran gefunden hat". Doch hätten es die Funde nicht ermöglicht, dem Beschuldigten den konkreten Schlag gegen das Bein der Tänzerin "mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit nachzuweisen".
"Hoch problematische Dienstauffassung erkennbar"
Obwohl die Beweislast nach Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft nicht für eine rechtskräftige Verurteilung ausgereicht hat, enthält der Einstellungsbescheid zum Ermittlungsverfahren den Hinweis, dass bei dem verdächtigten Beamten "eine aus hiesiger Sicht hoch problematische Dienstauffassung erkennbar" werde. Einerseits äußert er in seinen Nachrichten deutlich Gefallen daran, Gewalt anzuwenden – so brüstet er sich nach einem Einsatz am 1. Mai 2019, eine "Zecke" am Rande einer Demo so hart verprügelt zu haben, dass sie nicht mehr laufen konnte. Und er schreibt sogar einem Kontakt, der als "Mama" eingespeichert ist: "Heute konnte ich seit langem endlich wieder einen Menschen schlagen", das sei "richtig befriedigend" gewesen, aber "Jetzt heim Couch und Bier".
Zum anderen enthalten Jägers Konversationen zahlreiche Inhalte, die eindeutig als rechtsextrem einzustufen sind. Etwa wenn er und ein Kollege sich angesichts der Zustände im Land eine Enklave mit dem Namen "Nationalsozialistische Republik neu Deutschland" wünschen. Oder wenn Jäger damit prahlt, er sei sehr früh "aufgestanden um einen deutsche Flughafen vor einer eselfickenden Fachkraft zu beschützen" (alle Schreibfehler im Original). Zudem zweifelt der Prügelpolizist "an der Intelligenz jedes Polizeibeamten der kein rassist ist".
Nach Informationen von Kontext ist polizeiintern bereits seit 2017 bekannt, wie Jäger sich in seinen Unterhaltungen äußert. Doch disziplinarrechtliche Maßnahmen sind eine komplizierte und sehr zeitaufwendige Angelegenheit. Wie das verantwortliche Polizeipräsidium Einsatz mit Hauptsitz in Göppingen auf Anfrage von Kontext bereits im April 2024 mitgeteilt hat, habe man dort zunächst auf den Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gewartet. Bei diversen Rückfragen der Redaktion lautete der jeweilige Zwischenstand im Mai, September und Dezember 2024, die Prüfung der "sehr umfangreichen Strafakte" dauere noch an.
Strafrechtlich inzwischen verjährt
Neuigkeiten gibt es Anfang 2025: "Bei der Auswertung der Datenbestände wurden Videodateien festgestellt, die einen Verdacht von weiteren Straftaten begründeten", teilt ein Polizeisprecher gegenüber Kontext mit. Daraufhin habe die Polizei das Material an die für politische Kriminalität zuständige Staatsanwaltschaft Karlsruhe weitergeleitet – die das Verfahren Anfang Februar 2025 eingestellt hat.
Kontext hat sich nach den Gründen erkundigt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ging es bei dem Verdacht auf Straftaten um "verschiedene Videodateien", die der Beschuldigte in den Jahren 2018 und 2019 über WhatsApp verschickt hat und die "sexuelle Inhalte, Menschen in Notlagen und verbotene nationalsozialistische Kennzeichen (etwa Hakenkreuzsymbole) enthalten haben sollen".
Dass die Nachrichten mit den entsprechenden Inhalten verschickt worden sind, ist nicht weiter strittig. Fraglich ist aber ihre Strafbarkeit. Die Karlsruher Staatsanwaltschaft führt dazu aus: "Soweit die Tatvorwürfe das Versenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen betrafen, ist dies gemäß §§ 86, 86a StGB nur dann strafbar, wenn die Kennzeichen öffentlich verwendet oder (an einen größeren Personenkreis) verbreitet werden. Dabei genügt die Versendung einer Videodatei mit nationalsozialistischen Inhalten über 'WhatsApp' zumindest dann nicht, wenn (wie hier) die Versendung in einem Chat lediglich an einen einzelnen Empfänger erfolgte und keine sonstigen Personen Kenntnis oder Zugriff auf die Inhalte erlangen."
Während ein privates Hakenkreuz unter Polizisten damit generell nicht von strafrechtlicher Relevanz ist, käme das für andere Inhalte schon infrage – allerdings nur, wenn die Ermittlungen schnell genug vorangehen: "Soweit der Beschuldigte Videodateien mit sexuellen Inhalten und Menschen in Notlagen versendet und hierdurch widerrechtlich in die Persönlichkeitsrechte und den höchstpersönlichen Lebensbereich der gezeigten Personen eingriffen haben soll (§ 201a StGB), waren die Tathandlungen nach Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist jeweils bereits verjährt."
Finalisierung noch nicht abgeschlossen
Neben der strafrechtlichen Relevanz stellt sich die Frage nach der charakterlichen Eignung für das Amt als Polizist – oder, in den Worten der Generalstaatsanwaltschaft, nach Jägers "hoch problematischer Dienstauffassung". Acht Jahre nach Bekanntwerden der menschenverachtenden Inhalte auf Jägers Handy lassen die Konsequenzen auf sich warten. Doch das Disziplinarverfahren schreitet voran und befindet sich nun – so lautet die Auskunft der Polizei Ende September 2025 – "in der Finalisierung". Und offenbar sind sogar Konsequenzen vorgesehen, wobei über die Details Stillschweigen bewahrt wird. "Es erfolgt derzeit die abschließende dienstrechtliche Prüfung des Sachverhalts mit Verfügung einer Disziplinarmaßnahme", teilte ein Sprecher mit.
Ob sich einen weiteren Monat später schon etwas getan hat? In einer erneuten Auskunft vom 21. Oktober heißt es, eine Stellungnahmefrist für Jägers Rechtsanwalt laufe noch, "sodass die Finalisierung noch nicht abgeschlossen ist". Über den Ausgang wird Kontext berichten.
5 Kommentare verfügbar
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Es ist offensichtlich, dass die Person mit ihren Aufgaben überfordert ist. Das liegt vermutlich auch zu einem guten Teil an Vorgesetzten, die solche Auswüchse nicht als das erkennen, was es ist, nämlich eine indirekte Überlastungsanzeige, oder aber generelle charakterliche Nicht-Eignung der Person.…
Kommentare anzeigenStefan Weidle
vor 3 Wochen