Natürlich wissen Umwelt- und Verkehrspolitiker:innen der CDU, dass es Unsinn ist zu behaupten, die EU-Beschlüsse zum Aus für CO2-emittierende Neuwagen hätten keine Wirkung auf die Erderwärmung. Studien mit gegenteiligen Erkenntnissen stapeln sich seit vielen Jahren. Sie haben mit dafür gesorgt, dass die Europäische Union den Weg hin zu den strengen Vorgaben einschlug. Und doch gibt es im Netz viel Applaus für Manuel Hagel, der über die Deutsche Presseagentur vergangene Woche bundesweit verbreiten ließ: "Das Verbrenner-Aus der EU muss weg. Es schadet der Innovation, schwächt unsere Industrie, gefährdet Tausende Arbeitsplätze – und bringt unserem Klima nichts." Der Sound des CDU-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2026 zieht, vor allem in Kombination mit dem Verweis auf die Arbeitsplätze, "von denen Hunderttausende Familien in unserem Land leben".
Außen vor bleibt, dass bei Zulieferern, die längst auf Elektromobilität oder alternative Kraftstoffe umgestellt haben, bei einer Kehrtwende zurück zu Diesel und Benzin ebenfalls Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Außerdem ist es nach dem Autogipfel der vergangenen Wochen in Brüssel äußerst unwahrscheinlich, dass EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) ihren bisherigen Kurs verlässt. Ihr Vize und Industriekommissar Stéphane Séjourné bekräftigte nach dem Treffen mit den Industriebossen sogar, das Zieljahr 2035 stehe nicht infrage. Notwendig sei aber Flexibilität, um soziale und wirtschaftliche Brüche zu vermeiden.
Wahrscheinlich sind schwierige Kompromisse zur Umsetzung des schon im März beschlossenen Aktionsplans nötig: Darin ist der "Übergang zu sauberer Mobilität durch CO2-Emissionsnormen für neue Pkw und Transporter sowie für neue schwere Nutzfahrzeuge" festgeschrieben, "die den Herstellern schrittweise höhere Emissionsreduktionsziele vorgeben". Denn diese Normen böten Investor:innen langfristige Sicherheit und Planbarkeit und ließen gleichzeitig ausreichend Vorlaufzeit.
Erinnert an die Heizungsdebatte
Konkrete Beschlüsse sollen im Dezember fallen. CDU und CSU versuchen, die Zeit bis dahin zu nutzen, um an einer komplexitätsreduzierenden Gegenwirklichkeit zu basteln. Bekanntlich war diese Methode schon rund um den "Heizungshammer" von "Bild" äußerst erfolgreich. In den Hintergrund gerieten Ausnahmen für kaputtgehende Heizungen, Übergangsfristen, die Förderungen und die Härtefallregelungen, die Robert Habeck (Grüne) und die damalige Bauministerin Klara Geywitz (SPD) im April 2024 vor der Bundespressekonferenz vorstellten. Eingebrannt ins kollektive Gedächtnis hat sich, dass die Grünen angeblich in den persönlichen Lebensstil der Leute hatten eingreifen wollen. Über den wirtschaftlichen Erfolg für einschlägige Hersteller und das Handwerk, den das ursprüngliche Gebäudeenergiegesetz gebracht hätte, spricht überhaupt niemand mehr.
Diese Art Geisterfahrt beginnt jetzt auch rund um die Verbrenner. Etwa wenn die Bundesregierung die eigentlich bis 2035 versprochene Kfz-Steuerbefreiung für E-Autos zum Jahresende auslaufen lassen möchte. Nicht nur deshalb könnten CDU und CSU erheblich unter Druck kommen.
Ausgerechnet "Auto Motor Sport" förderte per Blitzumfrage nach dem Brüsseler Autogipfel die überraschende Botschaft zutage, dass sich eine überwiegende Mehrheit der rund 8.000 Teilnehmenden für die ursprünglichen EU-Fristen ausspricht. Die Umweltorganisation Transport & Environment hat herausgefunden, dass fast alle Hersteller die Flottenziele zur Reduktion von CO2 erfüllen und "gute Marktbedingungen für einen breiten Durchbruch bezahlbarer Elektroautos" sehen. Schon zum Jahreswechsel seien neun neue E-Auto-Modelle ab 25.000 Euro erhältlich, bis Ende 2027 mehr als doppelt so viele.
Trotzdem – und noch weiter als Hagel mit seiner Klima-Behauptung – lehnt sich der EVP-Fraktionschef im EU-Parlament Manfred Weber (CSU) aus dem Fenster. Denn der verspricht "den Europäern" nicht mehr und nicht weniger als das Aus vom Verbrenner-Aus. Und: "In diesem Herbst werden wir liefern." Die Bürger, sagt er, sollten selbst entscheiden, welches Auto sie kaufen, denn "so etwas darf die Politik nicht vorschreiben". Natürlich ist das Unfug, siehe die verbindliche Einführung von Drei-Wege-Katalysatoren und bleifreiem Benzin. Aber es passt in die Strategie, auf simple Botschaften zu bauen, ganz unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt. Und unabhängig von dem dicken Ende, das wie beim Gebäudeenergiegesetz allen droht, die weiterhin auf klimaschädliche Technologien bauen.
Am Ende kommt es dick
Denn der noch von Union und SPD 2021 eingeführte Preis auf CO2 steigt und steigt. Zunächst in Stufen und ab 2027 wird er durch den Zertifikatshandel frei gebildet. Mit Zustimmung jener, die auf marktwirtschaftliche Anreize setzen. Das Forschungsinstitut MCC Berlin, Teil des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, hat einen CO2-Preisrechner veröffentlicht und einige beispielhafte Kalkulationen dazu: "Eine vierköpfige Familie, die im Einfamilienhaus auf dem Land lebt und mit Öl heizt, müsste den CO2-Preis innerhalb von zehn Jahren von 6.300 Euro zusätzlich zahlen, plus die Kosten fürs Öl." Und im selben Zeitraum nochmals rund 4.500 Euro für das Betanken eines Verbrennerautos.
Das große Deutschland wird eine entscheidende Rolle spielen, weil – Stand heute und nach der Logik der Treibhausgasminderung – die Zahl der Zertifikate immer weiter sinken wird, bis zum Erreichen der Klimaneutralität. Dann kommt es auch zum Schwur für jene, die unentwegt beteuern, Anreize, Eigenverantwortung und Technologieoffenheit würden ausreichend Abhilfe schaffen. "Es geht doch darum, Teil eines Generationenprojekts namens Klimaneutralität zu sein", sagte Manuel Hagel noch vor zwei Jahren, "klimaneutral werden und Industrieland bleiben lautet unser Credo, denn mit Zwang, Verboten und nervöser Hektik verlieren wir die Menschen."
Wieso nun das Aus des Verbrenner-Aus nicht in die Kategorie "nervöse Hektik" fällt, behält er für sich. Und frustriert damit nicht nur die Mitbürgerin Julia B., die auf Abgeordnetenwatch um eine "Einordnung und fachliche Begründung Ihrer Aussage zum Kurswechsel beim Verbrenner-Aus" bittet. Darunter steht: "Antwort ausstehend von Manuel Hagel."
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