Grünen-Bashing ist der neue Volkssport, wiewohl viele Pläne und Entscheidungen doch den Aufräumarbeiten nach dem klimapolitischen Nichtstun der Vorgängerregierungen geschuldet sind. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um eine CDU-Erfindung mit Patina. Ein Modell, Autofahrer:innen zuerst zur Kasse zu bitten und dann zum Umstieg auf Bus und Straßenbahn zu motivieren, stammt von Lothar Späth. Für die Jüngeren: Der CDU-Politiker war Baden-Württembergs Ministerpräsident von 1978 bis 1991 und ließ Fachleute die Idee untersuchen, in Ballungsräumen wohnende Fahrzeughalter:innen per Abgabe für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs so lange zur Kasse zu bitten, bis die eine Zeitkarte für Busse und Straßenbahnen erstehen. Unvorstellbar nach heutigen Maßstäben, wie ernsthaft darüber diskutiert wurde. Kein Schaum vor dem Mund, keine billige Abwehr, keine Hetzkampagnen.
Am Ende kam Späth und den Seinen, ebenso wie der CDU-Nachfolgeregierung unter Erwin Teufel, dann leider doch die Courage abhanden. Vier Jahrzehnte danach fehlt es an viel mehr: an der Bereitschaft, sich zuerst der Realität zu stellen, sich erst einmal einzulassen auf detaillierte Informationen, konkret zum Modellprojekt Mobilitätspass in 21 Kommunen, und erst dann zu lobbyieren im eigenen politischen oder im Interesse der eigenen Verbandsmitglieder.
Millionen für Kommunen
Zwei Jahre lang hat nun das Verkehrsministerium die Potenziale eines Mobilitätspasses für 21 Modellkommunen untersucht und berechnet. Vier Varianten wurden entwickelt. Dazu zählt eine Maut, die Städte und Gemeinden vom einfahrenden Individualverkehr überall außer auf Bundesstraßen einziehen könnten. Oder es könnten alle Autofahrer:innen oder die Einwohnerschaft insgesamt belastet werden, etwa mit zusätzlichen Ausgaben in Höhe von zwei oder drei Halben Bier im Monat. Oder die Arbeitgeber:innen müssten – wie in Frankreich und in Wien seit Anfang der 1970er-Jahre – pro Arbeitnehmer:in eine Abgabe leisten. In der österreichischen Bundeshauptstadt mit ihrem Zwei-Minuten-Takt zu Stoßzeiten liegt die gegenwärtig bei allwöchentlich zwei Euro pro Beschäftigtem.
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