Für die "Welt" ist Claus Weselsky neuerdings "eine Art Greta Thunberg mit Schnurrbart": Weil er genau wie die Klimakleber den Verkehr lahmlegt. Gemessen am Niveau, das sonst so in der Springer-Presse vorherrscht, ist das wahrscheinlich nicht nur der cleverste Witz, den sie sich in den vergangenen Jahren einfallen ließen. Es ist auch verblüffend nett gegenüber dem Interessenvertreter der Arbeitnehmer:innen. Normalerweise wird er aus dieser publizistischen Ecke mit weitaus übleren Schmutzkampagnen überzogen.
Als die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) im vergangenen Jahr schon einmal streikte, suggerierte die "Bild"-Zeitung eine Mitschuld an einem Autounfall, bei dem sich mehrere Schüler verletzten und ein 18-Jähriger starb: "Weil der Nahverkehr streikte, nahmen sie den Wagen ...", heißt es über die Betroffenen, und eine Anwältin darf erklären: "Der Streik hatte in diesem Fall tödliche Folgen." Trauriger Höhepunkt in der Verleumdungsoffensive ist aber vermutlich ein Tweet, den Günter Klein 2015 abgesetzt hat. Der Chefreporter Sport beim "Münchner Merkur" würde "den Herrn Weselsky ja gerne mal einem Waterboarding unterziehen". Um diese Zeit war der Ton besonders rau. In direkter Anlehnung an Hitler nannte die "Börse am Sonntag" den Gewerkschaftsboss den GröLaZ, den größten Lokführer aller Zeiten, und meinte, dieser ähnle bei seinen Auftritten immer mehr jenem "großen Diktator" aus Charlie Chaplins gleichnamigem Schwarzweißfilm von 1940.
"Ein Kerl, den alle Menschen hassen, Der muß was sein!", dichtete Goethe. Und in der Tat: Wer den Kerl einmal live erlebt, stellt schnell fest, dass ihm gar keine Hörner aus dem Kopf wachsen. Zu Gast in Stuttgart bejubeln streikende Lokführer:innen den Arbeitgeberschreck wie einen Helden. Vergangenen Donnerstag zieht der Demoblock mit Trillerpfeifen und Ratschen durch die Innenstadt, angeführt von Weselsky: rosige Wangen, aufrechter Gang. Immer wieder grinst er verschmitzt und sagt Dinge wie: "Alle wissen doch genau: Wenn wir nicht streiken, fährt die Eisenbahn auch nicht pünktlich." Vereinzelt gibt es Applaus vom Straßenrand. Ein älterer Mann mit Schäferhund ist allerdings verärgert und murmelt immer wieder aufgebracht: "Staatsfeinde sind das. Ich tät die alle einsperren."
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Peter Nowak
am 04.02.2024