Vor allem wird das Gesamtsystem Schiene systematisch "entkernt"; es erfolgt ein fortgesetzter Abbau von Systembestandteilen: Aufgabe des Postverkehrs und der Gepäck- und Stückgutbeförderung Mitte der 1990er-Jahre, Einstellung der Interregio-Zugattung (2002), fortgesetzte Reduktion des Servicepersonals und Aufgabe von 90 Prozent aller Bahnhöfe, Einstellung der Autoreisezüge (2016); geplante Einstellung aller Nachtzüge (Ende 2016). Dieser Abbau im Kerngeschäft ist begleitet von einer Expansion im Ausland und in bahnfremde Bereiche hinein, sodass inzwischen mehr als die Hälfte des Umsatzes außerhalb des Kerngeschäfts Schiene erzielt wird. Die fehlende Kompetenz und der chaotische, ständig neue Umbau der Konzernstrukturen haben massive Rückwirkungen auf das Grundverständnis des gesamten Führungspersonals. Wie ist erklärbar, dass derzeit mit Ronald Pofalla ein CDU-Politiker im Bahnvorstand darauf lauert, Grube zu beerben, obgleich dieser ausgebildete Sozialpädagoge und zugelassene Rechtsanwalt, der ein Vierteljahrhundert Bundestagsabgeordneter und Berufspolitiker war, nie etwas mit Bahn und Schiene zu tun hatte? Pofalla nahm von 1991 bis 2014 im Kreis Kleve führende Positionen in der dortigen CDU ein. Es ist nicht bekannt, dass er sich für den Erhalt oder gar für eine Reaktivierung der Bahnstrecken Kleve–Nijmegen (Schienenverkehr 1991 eingestellt, Stilllegung 1999) oder Kleve–Xanten (Einstellung des Schienenverkehrs 1989/90, Rückbau der Strecke 2003 mit anschließender Entwidmung) eingesetzt hätte.
Es gibt Dutzende Beispiele für eine Politik des Top-Bahnmanagements, die für die Schiene geschäftsschädigend sind. Warum wird die Auslandsexpansion vorangetrieben, obgleich die Renditen dort erbärmlich sind? Warum sollen jetzt sogar ausländische Investoren bei den Bahntöchtern Arriva und Schenker Logistics einziehen, die damit erheblichen Einfluss auf den Gesamtkonzern nehmen können? Warum werden die Auslandstöchter Arriva und Schenker Logistics nicht komplett verkauft und der Erlös von acht bis zehn Milliarden Euro nicht für eine Grundsanierung genutzt? Warum weigert sich das Bahnmanagement seit mehr als einem Jahrzehnt, die Strecke Lindau–München zu elektrifizieren, sodass ein durchgehender, elektrisch betriebener Schienenfernverkehr von Zürich (über Bregenz und Lindau) nach München realisierbar wäre, obgleich die Schweizer Seite sogar eine Vorfinanzierung für diese Investition anbot?
Warum setzt die DB AG auf derselben Strecke seit zwei Jahren eigene Fernbusse ein, die schneller als die eigenen Eurocity-Züge sind und dann noch deutlich weniger kosten? Warum manipuliert die DB systematisch die Fahrgastzahlen beim Nachtzugverkehr nach unten (unter anderem werden die Fahrgäste in den Sitzwagen dieser Züge nicht mehr mitgezählt)? Warum behauptet die DB, die Nachtzüge seien defizitär, und berücksichtigt dabei nicht, dass ein Wegfall dieser Zuggattung zu einem erheblichen Einnahmerückgang bei DB Netz aufgrund entfallender Trassengebühren führen muss? Und warum investiert die Deutsche Bahn enorme Summen und einen Großteil ihres Potenzials an Ingenieurswissen in das Projekt Stuttgart 21, wenn damit unter anderem die Kapazität des strategischen Schienenverkehrsknotens im Südwesten abgebaut wird?
Straßenverkehr und Luftfahrt werden bevorzugt
Ganz offensichtlich trägt die Verkehrspolitik des Bundes wesentlich Verantwortung dafür, dass mit dem Straßenverkehr und der Luftfahrt diejenigen Verkehrsarten, die das Klima, die menschliche Gesundheit und die Umwelt am stärksten belasten, strukturell bevorzugt werden. Seit Jahrzehnten wird das Straßennetz aus- und das Schienennetz abgebaut. Auch werden immer neue Entscheidungen gefällt, die diese grundsätzliche Schräglage des Verkehrsmarkts verstärken (Steuerbefreiung von Kerosin, Liberalisierung des Fernbusverkehrs, Verzicht auf Maut bei Fernbussen, schrittweise Zulassung der Gigaliner und anderes mehr).
3 Kommentare verfügbar
Erwin Bosak
am 24.06.2016Am 21.06.2016 von Schorndorf Richtung Stuttart, gedachte Abfahrt um 14.14.Uhr mit RE, angekündigte Verspätung : 5 Minuten, tatsächlich: 8 Minuten, Begründung: keine. Ankunft in Stuttgart nach Fahrplan 14.37 Uhr, tatsächlich: 14.52 Uhr. . Fahrzeit nach Plan 23 Minuten, tatsächlich: 38…