Herr Weselsky, die Urabstimmungsergebnisse liegen vor. Wie ist die Stimmung an der Basis der GDL, der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer?
Schon der hohe Rücklauf an Abstimmungsunterlagen, aber auch die deutlichen Signale aus der Belegschaft haben im Vorfeld eine hohe Zustimmung zum Arbeitskampf erwarten lassen. Das nun erzielte Ergebnis von 95 Prozent übertrifft unsere Erwartungen. Es bestätigt zugleich das herrschende Stimmungsbild unter den Eisenbahnern. Die direkt systemrelevanten Beschäftigten sind wütend und frustriert angesichts eines DB-Managements, das ihnen weder einen Inflationsausgleich noch eine Corona-Prämie zugesteht, während sich die Führungskräfte im Homeoffice weiterhin ungerührt die Taschen füllen. Sie haben im vergangenen Jahr 2021 51 Prozent ihrer Boni erhalten – trotz miserablem Finanzergebnis des Bahnkonzerns. Allein diese variablen Vergütungen zusätzlich zum ohnehin schon üppigen Fixgehalt übersteigen trotz der Halbierung immer noch das gesamte Jahresgehalt eines wertschöpfend tätigen Eisenbahners. Das ist unanständig, unsozial und eine Verhöhnung der Menschen, die während der Pandemie unter erschwerten Bedingungen tagtäglich den Kopf hingehalten haben. Gemessen an der Stimmung in der Belegschaft könnten wir schon lange im Streik sein und der Streik selbst könnte angesichts dieser Stimmungslage gar nicht lange genug dauern.
In den Medien heißt es immer wieder: Die Forderungen der GDL seien "unverhältnismäßig". Der Personalvorstand der DB, Martin Seiler, spricht gar von "rechtswidrigen Forderungen"; inhaltlich gebe es "Nullkommanull Grund zu streiken" (FAZ vom 9.8.2021). Dabei wird auf die Corona-Krise und den Einbruch bei den Fahrgästen verwiesen. Neuerdings werden auch die Hochwasserschäden der Deutschen Bahn ins Spiel gebracht. Woran orientiert sich die GDL bei ihren Forderungen?
Unsere Forderungen orientieren sich am Tarifabschluss im öffentlichen Dienst. 1,4 Prozent Entgelterhöhung und 600 Euro Corona-Prämie 2021, 1,8 Prozent 2022 und das alles über eine Laufzeit von 28 Monaten sind maßvoll und gerechtfertigt. Die GDL lässt nicht zu, dass die systemrelevanten Eisenbahner mit einer Null- oder gar einer Minusrunde abgespeist werden. Außerdem gilt es, die kleinen Betriebsrenten zu schützen. Wir lassen sie uns nicht, wie der DB-Vorstand das fordert, als Volumen anrechnen. Die Zusage dieser Betriebsrente ist bei der Einstellung erfolgt und niemand hat das Recht, sie zu kürzen oder gar einzustellen.
Der Arbeitgeber Deutsche Bahn AG stellt sich als arm wie eine Kirchenmaus dar. Es gäbe hier keine Ressourcen zur Befriedigung der GDL-Forderungen.
Das ist nur eine weitere Schutzbehauptung, mit der die DB vom eigenen Versagen ablenken will. Die DB hat ihre Bilanz 2020 mit einem Minus von 5,7 Milliarden Euro nach Steuern abgeschlossen, der Umsatz sank gegenüber dem Vorjahr um mehr als zehn Prozent auf 39,9 Milliarden Euro. Sie behauptet, das Minus sei eine unausweichliche Folge der Corona-Pandemie, weil deutlich weniger Fahrgäste mit der Bahn unterwegs gewesen seien. Doch tatsächlich ist der größte Teil der Misere hausgemacht.
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Andrea K.
am 15.08.2021