Eine wichtige Rolle spielte ein kleines Büchlein, 1983 erschienen unter dem Titel: "bolo'bolo". Der Autor, er nannte sich P. M., entwarf eine Utopie von einem anderen Leben, einer anderen Stadt: Wie in besetzten Fabriken leben und arbeiten Menschen in großen Gemeinschaften zusammen und gehen selbst bestimmten Tätigkeiten nach. Diese Hausgemeinschaften, die er bolo nannte, sind die Zellen einer neuen Gesellschaft. Sie nehmen ein Areal oder einen Häuserblock ein, nicht mehr, denn ihre Organisationsform beruht auf basisdemokratischen Entscheidungsprozessen.
Mit P. M. und einem befreundeten Künstler tat sich Hofer zusammen, um, wie er sagt, "beispielhaft an einem Industrieareal durchzuspielen, was man da auch machen könnte." Sie gründeten einen Verein, Kraftwerk1. In einer Veranstaltung und einer Publikation, in limitierter Auflage von 700 Stück, stellten sie ihre Ideen vor. Wer ein Exemplar erwarb, erhielt zugleich einen Optionsschein für eine noch zu gründende Genossenschaft. 350 Optionsscheine gingen ein. 95 Gründer schlossen sich zusammen, als es 1997 ernst wurde.
Die Gelegenheit ergab sich, als sich ausgerechnet Oerlikon-Bührle, ein Mischkonzern für Maschinenbau, Waffen und Immobilien, zur Zusammenarbeit bereit erklärte. Fünf Jahre zuvor war Oerlikon-Bührle Besitzer des Wolgroth-Areals gewesen, des größten Areals in der Geschichte der Schweizer Hausbesetzerbewegung. Nun bot der Konzern der Genossenschaft ein Grundstück im Gewerbegebiet an der Hardturmstraße an – unter der Voraussetzung, dass Pläne und Finanzierung innerhalb eines halben Jahres vorlägen. Dann verkaufte Oerlikon-Bührle seine Waffensparte an Rheinmetall, und aus der Immobiliensparte wurde der Bauherr Allreal. 1999 war Baubeginn, 2001 waren die Gebäude fertiggestellt.
50 Millionen Schweizer Franken hat das Projekt Hardturm gekostet. Das war eigentlich nicht zu schaffen, denn die Genossen hatten kein eigenes Geld und keine Sicherheiten. Doch eine große bestehende Genossenschaft half. Mehrere Stiftungen beteiligten sich. So gelang das Mirakel: 100 Wohnungen, zwanzig Prozent Gewerbeflächen, im Zentrum, lärmgeschützt hinter einem fünfgeschossigen Bürobau, ein mächtiger neunstöckiger Riegel mit Dachterrasse und einer dunklen Ziegelfassade.
WGs mit 273 Quadratmetern
Von Anfang an voll vermietet, war das Projekt Hardturm aber nicht nur – bei schwieriger Ausgangslage – ein voller Erfolg. Vielmehr hat die Genossenschaft mit ihren Ideen eine Lawine neuer Entwicklungen angestoßen, die Zürich von Grund auf verändert und weit über die Stadt hinaus viel Beachtung gefunden haben. Die Hardturm-Bauten waren die ersten Niedrigenergiehäuser der Schweiz. Eine gelungene Mischung von Wohnen und Arbeiten, vom Restaurant bis zum Architekturbüro macht das Areal zu einem attraktiven Quartier. Das wäre noch nicht so ungewöhnlich. Aber Wohnungen für Wohngemeinschaften mit bis zu dreizehneinhalb Zimmern und 273 Quadratmetern: Das war damals einzigartig.
4 Kommentare verfügbar
Katja Bürmann
am 17.08.20212 Punkte sind mir wichtig.
Tatsächlich gibt es eine Wohnungsgemeinnützigkeit in Deutschland aktuell nicht mehr. Sie wurde 1990 abgeschafft. Mir ihr war auch das Prinzip der Kostenmiete verbunden. Also, dass die Miete "nur" die tatsächlichen Kosten decken darf. Das können…