Also hat sich das Verkehrsministerium wieder einmal auf den Weg gemacht, um neue und nicht mehr ganz neue Pläne auf Nutzen und Realisierbarkeit zu prüfen und Nägel mit Köpfen zu machen. Immerhin 17 Seiten ist allein die Auflistung der Eckpunkte stark. Wieder einmal ist der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann vom Goodwill des Koalitionspartners CDU abhängig, wenn er – diesmal endgültig – auf die zum Mobilitätspass umgetaufte Nahverkehrsabgabe setzt. Oder sogar auf eine eigene LKW-Maut des Landes für den Fall, dass der Bund nicht seinerseits liefert. Im Sommer hat Hermann seine Karten auf den Tisch gelegt und die Ausweitung der Maut nicht nur auf Bundes-, Landes- oder sogar Kommunalstraßen verlangt. Der Minister fordert außerdem die Einbeziehung von Kleinlastern, um der "Versprinterung des Transportwesens" wirksam Einhalt zu gebieten.
Die Schwarzen hätten sich eingedenk der Klimaziele, die sie im Koalitionsvertrag unterschrieben haben, oder wenigstens mit Blick auf ihre Wahlniederlagen der vergangenen Jahre hinter Hermann stellen können. Stattdessen wollte CDU-Fraktionschef Manuel Hagel durchsetzen, dass die Landesregierung das Maut-Ziel nicht weiterverfolgt, auch weil der Zeitpunkt aktuell denkbar schlecht sei: "Der Ukraine-Krieg, die Gasmangellage, die Inflation und massiv gestiegene Energiepreise destabilisieren unsere Wirtschaft." Der Vater von zwei Kindern hätte sagen können: Wir wollen Vorreiter sein und zeigen, dass eine klimafreundlichere Mobilitätspolitik den Wirtschaftsstandort nicht zwangsläufig schädigen muss. Immerhin bekommt er eine zweite Chance, denn in dem mit den CDU-geführten Ministerien ebenfalls abgestimmten Eckpunktepapier taucht der Plan wieder auf, umzusetzen in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode.
Jetzt koffert die CDU gegen den "Wegezoll"
Weiterer Aufreger ist die Nahverkehrsabgabe. Schon im äußerst lesenswerten Sondierungspapier aus dem April 2021, dem Passepartout zu den Koalitionsverhandlungen des Vorjahrs, lassen sich die Schwarzen auf den Mobilitätspass ein. "Alle Orte in Baden-Württemberg werden von fünf Uhr früh bis Mitternacht mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sein", steht da zu lesen, "dabei setzen wir auf mehr Fahrten und den Ausbau von ÖPNV on demand, also auf Abruf". Zur Finanzierung werde "der kommunalen Ebene per Landesgesetz das Recht gegeben, mit einem Mobilitätspass Einnahmen zu erzielen, um den ÖPNV zu stärken und das Mobilitätsverhalten zu verändern".
Gegen den "Wegezoll" poltern CDU-Abgeordnete, wenn sie unter sich sind, immer in der Hoffnung auf billige politische Punkte. Besonders schlau wird die Klage sogar noch mit der Kritik am ÖPNV-Angebot im ländlichen Raum kombiniert. "In Baden-Württemberg sind 2022 6,9 Mio. Pkw zugelassen", schreibt der grüne Minister Hermann in seinen Eckpunkten, "ohne Umsteuern wären es 2030 voraussichtlich noch einmal 500.000 mehr." Besonders in Städten lasse sich viel Pkw-Verkehr auf Bahn, Bus, Rad und Fuß verlagern. In ländlichen Räumen sei das schwieriger, aber auch hier sollten gute Alternativen geschaffen werden, um möglichst vielen Menschen einen Verzicht auf das Auto zu erleichtern. Bis 2026 sollen jetzt die Mindestanforderungen der Mobilitätsgarantie in der Hauptverkehrszeit umgesetzt sein. Hermann hätte Applaus verdient, siehe die jüngsten Warnungen des Klima-Expertenrats, weil Deutschlands eigene Ziele in immer weitere Ferne rücken. Stattdessen wird der Grüne noch viel Kritik auszuhalten haben, bis seine Ideen Gesetzeskraft erlangen, vermutlich in abgeschwächter Form.
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Philipp Horn
am 14.11.2022