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So tickt der Süden

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In "Three Billboards outside Ebbing, Missouri" spielt die brillante Frances McDormand eine verhärtete Frau, die den Tod ihrer Tochter aufklären will. Gut und Böse lassen sich im US-amerikanischen Niemandsland nicht immer sauber trennen.

Drei große Werbetafeln in der Wiese künden davon, dass die vorbeiführende Straße mal stärker befahren war. Jetzt sind die Botschaften stillgelegt und verblasst und Wörter wie "Chance" oder "Your Life" bloß noch Überreste vergangener Zeiten. Aber Mildred Hayes (Frances McDormand), eine kantige Frau mittleren Alters, hält trotzdem ihren Wagen an, setzt zurück, hat eine Idee. Sie fährt ins Städtchen, sucht den jungen Red Welby (Caleb Landry Jones) von der Werbeagentur auf, mietet die drei hölzernen Billboards an und macht sie zum Träger einer Anklage. In schwarzer Schrift auf rotem Grund will sie wissen, wer ihre Tochter ermordet hat und warum Sheriff Willoughby den Täter nicht zu fassen kriegt. Nein, Mildred nutzt eben kein Facebook, kein Twitter, keinen Hashtag. Die digitalen Zeiten mögen anderswo angebrochen sein, sie jedoch nimmt die Dinge persönlich, braucht etwas zum Anfassen und bleibt deshalb analog.

Der irische Regisseur Martin McDonagh, der 2008 mit dem schwarzhumorigen Thriller "Brügge sehen… und sterben" bekannt wurde, hat seinen neuen Film in die ländlichen USA hineingeschrieben, genauer gesagt: in den amerikanischen Süden, wo die Uhren immer noch ein bisschen anders ticken. Und wenn Red Welby zu Beginn in seinem Büro ein Buch von Flannery O'Connor liest, dann stellt McDonagh seine Geschichte auch sofort hinein in jene literarische Tradition, die als Southern Gothic bekannt ist. Von Mark Twain hin zu William Faulkner, von Carson McCullers bis hin zu Cormac McCarthy oder Donald Ray Pollock reicht die Riege der Autoren, die den armen und provinziellen Süden mit exzentrischen Charakteren bevölkern und dabei oft die Grenzen zwischen dem Tragischen, dem Komischen, dem Grausamen und dem Grotesken verwischen.

In diesem verschlafenen Kaff Ebbing, Missouri, das jetzt von Mildreds Aktion aufgestört wird, kennt jeder jeden. Kennt jeder jeden nur zu gut, so könnte man hinzufügen. Da rüpelt der hitzige Hilfspolizist Dixon (Sam Rockwell) herum, der gern seine Beine auf fremde Schreibtische legt, aber immer noch bei der Mutter wohnt. Da versucht der fette Zahnarzt vergeblich, die verhasste Mildred mit dem Bohrer zu traktieren. Da wirft Mildred den Pfarrer, der sie besänftigen will, aus ihrem Haus, und zwar mit den Worten: "Sie sind Teil einer Gang, die Ministranten fickt!" Und da schaut der Polizeichef Willoughby (Woody Harrelson) selbst bei Mildred vorbei und will sie dazu bringen, die Billboard-Plakate abzunehmen. Er habe bei der Suche nach dem Täter doch alles getan, es gebe eben Fälle, die nicht aufzuklären seien. Aber Mildred lässt sich nicht erweichen, sodass er ein letztes Argument ins Spiel bringt: "Ich habe Krebs, ich sterbe." Mildred gibt sich ungerührt.

Die großartige Francis McDormand ("Fargo") aber, hier fast immer im blauen Overall zu sehen, lässt hinter Mildreds kaltem und selbstgerechtem Furor auch Momente der Empathie aufblitzen. Doch, sie weiß schon, dass der Familienvater Willoughby, der mit seiner jungen Frau eine gute Ehe führt, eigentlich ein anständiger und immer um Ausgleich bemühter Mensch ist. Aber sie darf sich das, weil sie nämlich selbst ein bisschen Schuld am Tod der Tochter auf sich geladen hat, keinesfalls eingestehen. Überhaupt sind die Protagonisten in Ebbing, Missouri, nicht so starr und eindeutig festgelegt, wie dies zunächst den Anschein hat. Was in dieser facettenreichen Story auch heißt: Die Schlimmen können sich ändern, vielleicht nicht zum Guten, aber doch zum ein bisschen Besseren.

Hinter jeder sanften Szene lauert der Schock

Eher langsam, aber immer spannend und konzentriert inszeniert McDonagh diesen schillernden Mikrokosmos, in dem das Anekdotisch-Folkloristische genauso seinen Platz findet wie das Abgründig-Unheilvolle. Ähnlich hat auch Robert Altman sein Südstaatenkaff in "Cookie's Fortune" (1999) geschildert, am Ende allerdings doch sanfter und versöhnlicher. Mildreds Geschichte dagegen gönnt sich zwar anrührende und intime Momente, in denen Menschen einander sehr nahe kommen, aber solchen Momenten kann jederzeit ein Schock folgen. Dass der Regisseur, der seinen Film von Countrymusik und Rockballaden begleiten lässt, auch mal das Tempo anziehen kann, zeigt er in einer virtuosen Sequenz, in welcher er in einer Einstellung den rabiaten Dixon sein Büro verlassen, eine Straße überqueren, eine Treppe hochgehen und einen Mann aus dem Fenster werfen lässt. Ach, dieser Dixon! Ein hoffnungsloser Fall? Nun, sogar dieser ressentimentgeladene Kerl, der angeblich mal einen Schwarzen gefoltert hat, könnte in diesem Film eine zweite Chance bekommen.

Wie gesagt: Gut und Böse sind hier keine hinreichenden Kriterien. Und schon gar nicht richtet sich das Schicksal nach ihnen aus. Die einen mögen sich ihre Erlösungsmöglichkeiten gar nicht verdient haben, und die anderen werden nicht unbedingt belohnt für die Führung eines anständigen Lebens. Aber das gehört eben auch zur Southern-Gothic-Tradition. Daran hat sich, auch wenn "Three Billboards outside Ebbing, Missouri" in unserer Gegenwart spielt, nichts geändert. Überhaupt sieht hier alles aus wie Vergangenheit, wenn jemand mal ein Handy rausholt, wirkt das fast anachronistisch. Tatsächlich wäre das nonchalante Ignorieren der letzten zwanzig Jahre wohl das einzige, das man diesem exzellenten Film ankreiden könnte. In seinem Buch "The Unwinding – Die Abwicklung" konstatiert George Packer sehr überzeugend den kompletten Verfall der US-Provinz. In McDonaghs Ebbing hat sie sich trotzig gehalten. Nicht als Idyll, nein, aber doch als eine Gemeinschaft von Menschen, und als sozialer Ort, an dem der Hass genauso ausbrechen kann wie die Liebe.

 

Info:

Martin McDonagh's "Three Billboards outside Ebbing, Missouri" kommt am Donnerstag, den 25. Januar in die deutschen Kinos. Welches Kino in Ihrer Nähe den Film zeigt, <link http: kinofinder.kino-zeit.de programmsuche external-link-new-window>finden Sie hier.


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5 Kommentare verfügbar

  • Andromeda Müller
    am 14.02.2018
    Antworten
    Hm , nachdem ich im Film war ist mein Eindruck :
    Der Film des Regiesseurs Martin McDonagh stellt eine Metapher für die Politik der USA , der Außen- wie Innenpolitik ,dar ( Kriegsveteran , der sich in der Kneipe brüstet mit anderen US-Soldaten eine junge einheimische Frau im Kriegsgebiet im Sterben…
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