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110 bleierne Minuten

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Die Politfilmerin Margarethe von Trotta versucht sich in "Forget about Nick" an einer Beziehungskomödie. Und stürzt ihre Hauptdarstellerin Katja Riemann zurück in längst vergangene Kinozeiten. Unser Kritiker warnt eindringlich davor, sich diesen humorfreien Klamauk anzutun.

Wieder mal ein Film mit Loft! Also mit einer dieser teuren Über-den-Dächern-Großstadtwohnungen, die in den neunziger Jahren belanglose deutsche Beziehungskomödien auf Weltstadt-Niveau heben sollten. Katja Riemann war damals der Star dieses weniger berühmten denn berüchtigten Genres, sie agierte sehr blond als patente Kumpelfrau, mit der sich durch Dick und Dünn und eben auch durch ein Loft gehen ließ. Eigentlich hat sich diese Schauspielerin längst gelöst von diesem Rollenfach, sie kann ja viel mehr und hat es spätestens in Filmen wie "Das wahre Leben" (2006) oder "Ein fliehendes Pferd" (2007) auch gezeigt. In "Forget about Nick" jedoch stürzt sie zurück in jene Zeiten, als schon die Nennung ihres Namens genügte, um bei manchen Kritikern ein Meine-Güte-die-schon-wieder-Augenrollen auszulösen.

"Forget about Nick" aber will nicht nur die sehr tote deutsche Beziehungskomödie der Neunzigerjahre wiederaufleben lassen, nein, dieser Film versucht sogar, dieses Genre im Jahr 2017 in englischer Sprache und in New York für ein internationales Publikum zu inszenieren. Nein, nicht wirklich in New York, da sind nur ein paar Außenaufnahmen entstanden. Das extensiv bespielte Loft dagegen wurde in einem Kölner Studio nachgebaut. Sehr groß, aber mit einer wackligen Treppe, so als habe der Requisiteur nächtelang Karneval gefeiert und tagsüber nicht mehr gewusst, wo beim Hammer vorne und hinten ist. Oder so, als wollten die Filmemacher ihr Nichtkönnen aufs Große und Ganze konzentrieren und nicht auf Details.

Wie? Das Wort Filmemacher klingt ein bisschen vage? Also gut, irgendwann muss es ja raus: "Forget about Nick" ist eine Komödie von Margarethe von Trotta, der humorfreiesten Frau des deutschen Kinos. Solange sie politische Filme drehte – von "Rosa Luxemburg" (1986) bis "Hannah Arendt" (2015) – fiel das nicht weiter auf, zudem zählte bei ihr das Thema schon immer mehr als dessen Inszenierung. Was sie aber nun anrichtet, das sind für den Zuschauer einhundertzehn Minuten bleierner Zeit. Jetzt also schnell die Story hingeschrieben, bevor sie rückstandsfrei vergessen ist. Es geht um das blonde Ex-Model Jade (Ingrid Bolso Berdal), das vom alten Nick (Haluk Bilginer) für ein neueres Model verlassen wurde. Und es geht um die erwähnte Katja Riemann als Ex-Ex-Model Maria, das von Nick schon eine Generation vorher verlassen wurde und nun, auf Grund eines Ehevertrags, zu Jade ins Loft zieht.

So können nun also Jade und Maria – die eine aggressiv hinter Nick hertrauernd, die andere abgeklärt und cool – sich und uns auf die Nerven gehen. In lemurenhaftem Tempo und sehr redundant dödelt diese Lofterei vor sich hin. Längst verschlissene Gags mit Ansage. Da genügt es schon, dass jemand stolpert und umfällt. In der studiosterilen Synchronfassung sprechen übrigens alle Deutsch, man versteht jedes Wort – und das ist das Schlimme daran. Man hört das Papier rascheln. Nein, man hört das Leeren ganzer Papiertonnen! Wenn in diesem charme-, witz- und bodenlosen Filmchen Marias Tochter zu Besuch kommt, die irgendwas mit Parfüm macht, schaut sie sich Jades Entwürfe für eine Modelinie an und lobt: "Die Farben sind schön!" Nein, genauer wird's nicht. Noch verschwommener geraten jene Szenen, in denen Maria im Loft mit einem multiethnischen und naiv-dauerlächelnden Studierenden-Trio als Literaturdozentin arbeitet. Da wird, mal mit Christa Wolf, mal mit Ingeborg Bachmann, sauber name-gedroppt, da wird sogar unfallfrei ein Buch aufgeblättert und frei heraus eine Supermeinung geäußert: "Ich finde das Gedicht echt genial!"

Wen ein solches Kultur-Gefälle an Eckhard Henscheids legendäre Anekdoten vom Huberbauern erinnert ("Was machst nachad du da? – I les. – Ja, freili, des siag i scho. Aba was liestn? – ,Minima Moralia'. Vom Adorno."), dem sei gesagt: Henscheid betreibt hochklassige Satire, von Trotta dagegen extrem seichte, aber penetrant ernst gemeinte Bildungshuberei. Dass in diesem an allen politischen, sozialen oder ökonomischen Themen vorbei inszenierten Film dann auch noch ein Buchladen auftaucht, an dessen Eingang "Refugees welcome" steht, wirkt schon fast obszön. Und dann diese ... Wie? Ob es jetzt nicht bald genug ist mit der Trotta-Beschimpfung? Ja, okay. Aber eine geht noch. Am Schluss und nachdem die beiden Feindinnen zu Freundinnen geworden sind, schaut wieder mal der alte Nick vorbei. Und wird von Jade willkommen geheißen und zurück in die Ehe genommen. Meine Güte! Das Ende der Emanzipation! Was soll man dazu sagen? Höchstens dies: Frau Schwarzer, übernehmen Sie!

 

Info:

Die Regisseurin Margarethe von Trotta stellt ihren Film am Donnerstag, den 7. Dezember, um 19.30 Uhr im Stuttgarter Atelier am Bollwerk persönlich vor. Welches Kino in Ihrer Nähe den Film zeigt, <link http: kinofinder.kino-zeit.de programmsuche forget-about-nick _blank external-link>finden Sie hier.


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1 Kommentar verfügbar

  • Helga Stöhr-Strauch
    am 06.12.2017
    Antworten
    Rat beherzigt! Ich werde mir, großes Ehrenwort, diesen Film nicht ansehen. Aber ich werde jedesmal, wenn er mir begegnet, an die köstliche Kritik von Rupert Koppold denken und mich darüber freuen, dass es solche Kritiker noch gibt!
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