"Ich sehne mich nach überwältigendem sanitären Luxus, blitzenden Wasserhähnen aus Gold, jungfräulichem weißen Marmor, einer Brille aus Ebenholz, einem Spülkasten voll Chanel Nr. 5, und nach einem Lakaien, der mir Toilettenpapier aus reiner Rohseide überreicht." So formuliert der junge Mark Renton, dessen grollender Darm nach längerer Verstopfung nun den Durchbruch ankündigt, seinen Wunsch. Doch als er in einen Pub hineintaumelt, stürzt er in die Wirklichkeit respektive in die "schlimmste Toilette Schottlands": Spülung kaputt, alles kackbraun, schleimig und unter Wasser. Renton hockt sich trotzdem hin, grunzt wohlig, erleichtert sich – und kniet dann vor der brillenlosen Schüssel, um die Drogen herauszufischen, die ihm gerade reingeplumpst sind. Aber das reicht natürlich noch nicht, um zur <link https: www.youtube.com _blank external-link>berühmtesten Toilettenszene der Filmgeschichte zu werden. Dieser von Ewan McGregor gespielte Junkie greift in "Trainspotting" (1996) also nicht nur mit dem Arm ins Klo, nein, er taucht nun komplett hinein in die Schüssel und in eine andere, schönere und reinere Welt. In dieser metaphorisch-surrealen Sequenz fischt Renton sich seine Opiumzäpfchen aus einem blauklaren Ozean und ist gerettet. Die echte Welt kann ihn mal, er ist jetzt in seiner eigenen. Aber eben nur so lange, bis er die nächste Dröhnung braucht.
Für das Mainstream-Kino waren alltägliche Ausscheidevorgänge lange Zeit tabu: Tarzan etwa kackt nie in den Dschungel, Old Shatterhand pisst nie in die Prärie. Was nicht nur damit zu tun hat, dass solche Vorgänge, zumindest in routinierter Verrichtung, als nicht erzählenswert erscheinen, sondern auch als zu peinlich. In einer von der Mittelschicht dominierten Gesellschaft war ja schon das Wort Klo zu vulgär, in deren angelsächsischer Ausprägung wurden sogar viele Euphemismen erfunden, um selbst die Bezeichnung Toilette zu vermeiden. Da fragt man oft noch heute bei einer Einladung, wenn's einen drückt, nach dem "bathroom", nach dem "upstairs", oder auch, in ironiefreudig bildungsbürgerlicher Umgebung, nach dem "euphemism".
Klar, dass solche Verklemmtheiten in die Komik führen, dass sich das Peinliche irgendwann und buchstäblich Luft machen muss. In den Furzorgien von Mel Brooks' krachiger Genreparodie "Der wilde, wilde Westen" (1974) zum Beispiel; in den Derbheiten der mit herzförmigen Gucklöchern ausgestatteten Holzhäusl der Dirndl-Sex-Filme; in den detailreichen Fäkalscherz-Klamotten der Farrelly-Brüder ("Dumm und dümmer", 1995); oder in den drastischen Streichen der "American Pie"- und "Hangover"-Serien. Ja, sogar der harmlos-kindliche Mister Bean wird im Kino mal im Klo gezeigt, wo er in eine missverständliche Lage an einem Händetrockner gerät. Und hier eine der neuesten Toilettennummern: In "Fack ju Göhte 3" ist in einem Schulpissoir ein großes Donald-Trump-Porträt so angebracht, dass man quasi in des Präsidenten Mund schiffen muss.
Das Klo, ein Ort für den Ausnahmezustand
In "Fack ju Göhte 3" ist auch eine jener zahlreichen Szenen zu sehen, in denen jemand in der Kabine kauert und verbotenerweise raucht. Die Kino-Toilette ist eben, wie schon gesagt, kein Ort für alltägliche Ausscheidungen, sondern ein Ort für den physischen und psychischen Ausnahmezustand. Also für andere Nöte als die bloße Notdurft. Hierhin zieht man sich zurück, um die Nikotinsucht zu befriedigen. Oder wenn man jetzt und sofort Hasch, Heroin, Crack, Koks oder Crystal Meth braucht. Oder wenn die Lust auf Sex zu groß und das nächste Bett zu weit ist. In der komischen Variante ist letzteres im Erfolgsfilm "Der bewegte Mann" (1994) zu sehen, wo es der von Til Schweiger gespielte Held mit einer jungen Frau treibt und Katja Riemann, vorher rauchend in der Nebenkabine zu sehen, sich über die Trennwand beugt und den überraschten Rammler fürsorglich fragt, ob er auch ein Kondom benutze.
In der Kinoadaption von Charlotte Roches Roman "Feuchtgebiete" von 2013 aber verzichtet die Heldin beim barfüßigen Gang auf die vermutlich zweitschmutzigste Toilette der Filmgeschichte auf jeden Schutz. Sie ist auch nicht auf Sex aus, aber auch nicht auf die ganz normale Nutzung eines Örtchens, das ihre Mutter nur in "schwebender Hockhaltung" benutzt hätte. Sie wischt nun nämlich fröhlich mit ihrer "Muschi" die Brille sauber, auf der die Kamera vorher in Detailaufnahme Haare und gelbes Zeug geortet hat. Und nun folgt eine rockig-psychedelische Fahrt in den bunten Mikrokosmos der Keime. Es ist ein Angriff auf den guten Geschmack, es ist ein Angriff auf die Tabuisierungen des Bürgertums. Ein bisschen eleganter, aber auch ein bisschen perfider hat Luis Bunuel fast vierzig Jahre vorher eine seiner Attacken auf die Bourgeoisie geführt: In seiner Satire "Das Gespenst der Freiheit" sitzt die vornehme Gesellschaft zu Tisch beim gemeinsamen Stuhlgang. Gegessen wird allein und verschämt im Kämmerchen.
Aber jetzt ist Schluss mit lustig, jetzt wird es ernst! In dem Thriller "Michael Clayton" (2007) spielt Tilda Swinton eine gerissene, taffe und unangreifbar wirkende Anwältin. Business-Kostüm und Perlenkette. Makelloses Outfit und Make-up. Unendlich cool. Aber einmal ist der Stress zu groß, wird die Fassade brüchig. Sie braucht einen Schutzraum, sie sitzt jetzt in einer Toilettenkabine, den Kopf an die Wand gedrückt, und löst sich auf. Die Haare hängen ihr ins Gesicht, sie stöhnt leise, sie befühlt die Schweißflecken unter den Achseln. Alles fließt, auch die Tränen. Und dann reißt sie sich wieder zusammen, findet zurück in ihre selbst gewählte Rolle und in jene Büros und Konferenzräume, in denen sie ihre Schlachten führt.
Tatsächlich mörderisch geht es zu in Francis Ford Coppolas Fortsetzung des "Paten", in der Al Pacino als angehender Mafia-Boss ein Gespräch im Italo-Restaurant unterbricht, um zum "bathroom" zu gehen. Dort kramt er hinter dem Kasten der Klospülung eine Schusswaffe hervor, kehrt an den Tisch zurück und erschießt seine Gesprächspartner. Im selben Jahr 1974 kommt auch Coppolas Abhör-Thriller "Der Dialog" ins Kino, in dem eine verstopfte Toilette das Badezimmer überschwemmt – und zwar mit Schwällen von Blut. Die Toilette ist manchmal ja nur vermeintlicher Rückzugs- und Schutzraum. Denn mit heruntergelassenen Hosen ist man oft extrem ungeschützt. In der dritten Staffel von "Game of Thrones" hockt der tyrannische Chef des Lennister-Clans auf dem Abort, als sein kleinwüchsiger und ungeliebter Sohn Tyrion die Tür aufdrückt und mit der Armbrust auf ihn zielt. Der mächtige Mann schätzt die Lage falsch ein, beschimpft den Sohn – bis ihm Metallpfeile die Brust durchschlagen.
Und dann die Gefahren, die aus anderen Zeiten oder anderen Welten kommen! In "Jurassic Park" (1993) hat sich einer gerade in die Toilettenhütte zurückgezogen, als dieselbe zusammenkracht und er sich, auf der Schüssel sitzend, nicht nur im Freien wiederfindet, sondern auch noch vor einem Tyrannosaurus Rex. Der beißt zu und schüttelt dann, während die Beine des Mannes aus dem Maul hängen, den riesigen Kopf hin und her. In der Stephen-King-Verfilmung "Dreamcatcher" (2003) kommt der Angriff aus der Schüssel selbst, dockt also an unsere Ängste vor Schlangen oder Ratten an, die aus dem Abfluss kriechen. Hier ist es ein wurmartiges Alien, das...
Aber Schluss jetzt! Der Kino-Klo-Worte sind genug gewechselt, es wird Zeit, nochmal auf den Anlass dieses Textes hinzuweisen. Auf die ganz realen Gefahren also, denen mehr als vierzig Prozent der Weltbevölkerung dadurch ausgesetzt sind, dass sie eben keine Toilette haben oder benutzen können. Die <link http: worldtoilet.org _blank external-link>World Toilet Organisation (WTO) und auch die <link http: www.germantoilet.org de startseite aktuelles.html _blank external-link>German Toilet Organisation (GTO) versuchen – unter anderem durch den Welttoilettentag am 19. November, die sanitären Verhältnisse in der Dritten Welt zu verbessern. Nein, es geht dabei nicht um Wasserhähne aus Gold, um Brillen aus Ebenholz oder um mit Chanel Nr. 5 gefüllte Spülkästen. Es geht um einfache Toiletten, die so wichtig sind fürs Leben und Überleben.
"Man darf kurz darüber lachen, aber dann sollte man das Thema ernst nehmen."
Jack Sim, Gründer der Welttoilettenorganisation WTO.
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Andreas Hagenauer
am 15.11.2017