Das weite Meer, ein Boot mit Flüchtlingen, ein Leuchtturm: von hoch oben gefilmte Bilder, unterlegt mit elegischer Musik. Sie wirken dekorativ und metaphorisch. Nicht gestellt, nein, aber doch gestaltet. Der Künstler Ai Weiwei hat sie in 23 Ländern dieser Welt von 112 Kameraleuten aufnehmen lassen und dann montiert zu seinem zwei Stunden und zwanzig Minuten dauernden Film "Human Flow". Einige dieser Bilder hat Ai Weiwei selbst mit seinem Smart Phone eingefangen. Immer wieder sieht man ihn auch in Flüchtlingscamps, wie er dort filmt, wie er Gespräche führt, wie er Fleischspieße brutzelt, Tee ausschenkt, sich die Haare schneiden lässt, mit Kindern spielt, eine Frau tröstet.
Ist Ai Weiwei eitel? Drängt er sich nach vorn und schiebt das eigentliche Thema seiner Dokumentation in den Hintergrund? Manche Kritiker haben ihm dies vorgeworfen. Aber es ist wohl eher so, dass dieser Künstler seine Prominenz nutzt, um sie in Dienst zu stellen, um also möglichst viele Menschen auf ein Problem aufmerksam zu machen, das zwar punktuell im sachlich-neutralem Ton der Nachrichten auftaucht, aber auch gleich wieder untergeht. In "Human Flow" dagegen zeigt sich Ai Weiwei als insistierende, empathische und moralische Instanz. Dass es ihm mit dem Thema wirklich ernst ist, darauf weist nicht zuletzt der immense zeitliche, materielle und logistische Aufwand dieses Projekts hin und der große persönliche Einsatz des Künstlers. Ein Solidaritätskonzert für dies und das – viele Grüße an Bono! – ist jedenfalls schneller erledigt.
Der sechzigjährige Ai Weiwei, der in China drangsaliert wird, lebt inzwischen in Berlin und bezeichnet sich selbst als Flüchtling. In New York stellt er sich gerade mit seiner stadtdurchsetzenden Installation "Good Fences make good Neighbors" der staatlichen Abschottungspolitik entgegen. Und in "Human Flow" versucht er nun, den Blick auf diejenigen zu lenken, die der Not entkommen wollen, ihre Heimatländer verlassen, sich auf der Flucht vielen Gefahren aussetzen und dann oft vor jenen Grenzen stehen, die reichere Länder inzwischen errichtet haben. Man sieht in diesem Film: vom Krieg zerstörte Städte; von der Dürre verstaubte Landstriche; zerschlissene Zelte im matschigen Niemandsland; Familien, die sich durch reißende Bäche quälen; überfüllte Schlauchboote; Berge von Rettungswesten.
1 Kommentar verfügbar
Andromeda Müller
am 16.11.2017Scheint ein ganz guter möglicher "Konsens" im Westen zu sein , das die…