Der Protagonist des ZDF-Krimis, der Ex-BKA-Mann und Privatermittler Georg Dengler, entwickelt Zweifel an der "offiziellen Geschichte" des BKA und der Bundesanwaltschaft, wonach die beiden Neonazis Mundlos und Böhnhardt durch einen erweiterten Selbstmord in Eisenach ums Leben gekommen seien sollen. Denglers filmisch geäußerten Zweifel beruhen wesentlich auf Widersprüchen und Ungereimtheiten, die eben nicht erfunden worden sind, sondern sich aus den zuvor recherchierten Ermittlungsakten und anderen offiziellen Unterlagen zum NSU-Fall ergeben. Alle diese Dokumente sind im Kriminalroman "Die schützende Hand" als Quellen explizit angegeben. Lars Kraume hat als Drehbuchautor und Regisseur dieses Films die wichtigsten Argumente aus der Romanvorlage kongenial filmisch umgesetzt.
Als Reaktion gab es Lob, aber auch heftige Kritik. Deshalb seien im Folgenden nochmals unsere wichtigsten Indizien und Argumente kurz dargelegt. Die neu recherchierten Hinweise, Dokumente und Analysen zum Todeszeitpunkt erschienen erst Anfang 2017 nach Abschluß der Dreharbeiten in der erweiterten Taschenbuchausgabe des Romans "Die schützende Hand".
Die offizielle Darstellung des Tathergangs in Eisenach
In dem im Münchner NSU-Prozess öffentlich vorgetragenen Anklagesatz des Generalbundesanwalts findet man folgende offizielle Schilderung des Tathergangs vom 4. November 2011 in Eisenach-Stregda:
"Als Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach der Tat in dem in Eisenach-Stregda in der Straße Am Schafrain geparkten Wohnmobil, in das sie sich geflüchtet hatten, entdeckt wurden, feuerten sie noch aus einer Maschinenpistole auf die sich zu Fuß nähernden Polizeibeamten, um durch deren Tötung ihre Entdeckung zu verhindern und unerkannt entkommen zu können. Nach dem ersten Schuss hatte die Waffe eine Ladehemmung; die Beamten waren in Deckung gegangen. Nachdem sie nunmehr davon ausgehen mussten, dass ein Entkommen nicht mehr möglich sein würde, setzten sie das Wohnmobil in Brand. Einem schon zuvor für den Fall der Entdeckung gefassten Entschluss entsprechend töteten sie sich selbst, wobei Uwe Mundlos zunächst Uwe Böhnhardt und sodann sich selbst erschoss. Mit dem Tod dieser beiden Personen am 4. November 2011 war die terroristische Vereinigung 'NSU' aufgelöst."
Weder der Notarzt noch die Gerichtsmediziner hatten am 4. November 2011 vor Ort in Eisenach die Gelegenheit, Tod und Todeszeitpunkt von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ordnungsgemäß festzustellen.
Totenscheine in Absprache mit der Polizeiführung ausgefertigt
Den nicht zum Einsatz kommenden Gerichtsmedizinern macht der damalige Einsatzleiter der Polizei, Michael Menzel, vor Ort in Stregda klar, wie die Totenscheine anzufertigen seien. Menzel beschrieb diesen Vorgang mit eigenen Worten so: "Die Todesbescheinigung ist dann in Absprache mit der Gerichtsmedizin passiert, das war dann unter meiner Führung, das heißt, wo die Gerichtsmedizin da war, wurde auch darüber gesprochen, wie dann entsprechend der Totenschein zu fertigen ist."
Die Polizei setzt Todeszeitpunkt und Todesort einfach fest
Der offiziell angegebene Todeszeitpunkt '12.05 Uhr' wurde erstmalig am 4. November 2011 um 23.13 Uhr, zusammen mit dem Todesort, durch Polizeibeamte für die Sterbefallanzeige aufgenommen. Da sich nun aus diesem festgesetzten Todeszeitpunkt – zusammen mit der Hypothese der Geschehnisse im Inneren des Campers – auch der offizielle Todesort 'Eisenach-Stregda, Am Schafrain 2 im Wohnmobil' ableitet, wurde sowohl der Todeszeitpunkt als auch der Todesort nicht ermittelt, sondern aus vom Hörensagen abgeleiteten und bis heute nicht bewiesenen Hypothesen konstruiert.
Totenscheine werden – wie mit der Polizei abgesprochen – ausgestellt
Der Gerichtsmediziner Dr. Reinhard Heiderstädt stellte am nächsten Tag (Samstag, 5. November 2011) nach einer Leichenschau die Totenscheine für beide Toten aus. Dabei übernahm der Rechtsmediziner ohne weitere eigene Prüfungen den für die Sterbefallanzeige von der Polizei am Vortag konstruierten Todeszeitpunkt und den Todesort. Als Todesursache stellte er bei beiden Leichen eine "Kopfschussverletzung" fest.
Die Bedeutung des Todeszeitpunkts
"Die möglichst genaue Kenntnis der Todeszeit hat weitreichende Konsequenzen für die polizeilichen Ermittlungen", heißt es in einem bekannten Kriminalistik-Lexikon. Wenn also durch verantwortliche Ermittlungsorgane frühzeitig und ohne genaue Kenntnisse der wirklichen Abläufe ein Todeszeitpunkt – sogar auf die Minute genau – festgelegt wird, dann hat genau dies weitreichende Konsequenzen für die weiteren polizeilichen Ermittlungen: Deren Richtung wurde somit von Anfang an durch die Ermittlungsorgane möglichst genau und damit eng begrenzt festgelegt. Allein das reicht aus, um alle Ermittlungen, die unbeirrt von der Richtigkeit des offiziell vorgegebenen Tatablaufs mit der entsprechend festgelegten Todeszeit ausgehen, begründet anzuzweifeln. Es ist also dringend notwendig, sich um die Aufklärung des Todeszeitpunktes von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zu kümmern.
Ist der festgelegte Todeszeitpunkt von 12.05 Uhr haltbar?
Unmittelbar nach Eintritt des Todes hört der Blutkreislauf mit seiner Tätigkeit auf. Bei Stillstand des Kreislaufs beginnt das Blut, sich unter dem Einfluss der Schwerkraft innerhalb des Gefäßsystems in die tiefer gelegenen Körperpartien der Leiche abzusenken. Die höher gelegenen Körperpartien verlieren Blut und blassen daher ab. Bei beiden Toten im Wohnmobil existiert nun ein nachweisbarer Widerspruch zwischen der Position der zügig nach Eintritt des Todes sich bildenden Totenflecken – also der Position der Totenflecken in Sterbelage – und der Position der Totenflecken in der Auffindelage der beiden Leichen. Böhnhardt wurde in Bauchlage im Camper gefunden, hatte aber Totenflecken auf dem Rücken. Mundlos wurde im Wohnmobil auf dem Boden sitzend gefunden, hatte aber ebenfalls einen größeren Totenflecken auf dem Rücken.
10 Kommentare verfügbar
paul panther
am 06.12.2017