Gerade ist der Polizist Noredin in seinem verbeulten Peugeot noch an den riesigen Plakaten mit dem Porträt einer berühmten Sängerin vorbeigetuckert, da steht er in einer Suite des Kairoer Hilton Hotels vor ihrer blutumflossenen Leiche. Seine Kollegen waren schon vor ihm da, sie wollen den Fall schnell abschließen. Selbstmord. Da sind sie sich einig. "Sie hat sich also selber die Kehle durchgeschnitten?", fragt Noredin (Fares Fares). Doch das ist kein Aufbegehren, höchstens ein kleiner, sarkastischer Hinweis darauf, dass das Offensichtliche, wenn es den Mächtigen nicht genehm ist, ignoriert oder vertuscht wird. Man schreibt das Jahr 2011 und die Polizei agiert in diesem Land, obwohl sich schon ein Aufruhr abzeichnet, noch immer als Freund und Helfer des korrupten Mubarak-Systems.
Auch Noredin, ein großer Kerl um die vierzig, hat sich an- und eingepasst. Wenn er seine schwarzen Haare gekämmt, seine Krawatte gebunden und seine Lederjacke angezogen hat, fährt er durch die staubigen Straßen, grüßt die Informanten, die Händler, die Restaurantbetreiber und bekommt Scheine zugesteckt. Jetzt gibt es auf dem Revier, das von seinem feisten Onkel geleitet wird, ein bisschen Streit um den Verteilungsschlüssel des eingetriebenen Geldes. Noredin hält sich da eher raus, genauso wie bei den alltäglichen Häftlingsmisshandlungen. Überhaupt umgibt diesen Mann, in dessen unaufgeräumter Wohnung Bilder von Frau und Kind auf ein anderes und früheres Leben hindeuten, eine Aura umfassender Gleichgültigkeit. Eigentlich kann ihm nichts mehr passieren. Eigentlich ist schon alles vorbei. Und dann lernt er Gina (Hania Amar), die schöne Freundin der ermordeten Sängerin kennen und verstrickt sich in einen Fall, dessen politische Implikationen er zunächst nicht erkennt.
Der in Schweden geborene Regisseur und Drehbuchautor Tarek Saleh hat seinen Rückblick über ein Land vor der Revolution als Film noir gedreht. Sein atmosphärischer Thriller, in dem der angeschlagene Held sich so viele Zigaretten ansteckt wie kaum ein anderer in den letzten Kinojahren, führt immer wieder durch Nacht und Stadt und auch durch viele Milieus hindurch. Das sudanesische Zimmermädchen Salwa (Mari Malek) etwa, das den Täter im Hotelflur gesehen hat, haust beengt im Schwarzenviertel und wird ausgebeutet von einem Landsmann und Landlord. Der das "Neue Kairo" anpreisende Bautycoon Shafiq (Ahmed Seleem) dagegen residiert in einer luxuriösen "gated community", spielt Golf und lässt Noredin, der ihm ein paar Fragen stellen will, kühl abblitzen. Wenn dann die mondäne Gina in einem Nachtclub singt, ist das der klassische Auftritt einer Femme fatale. Und wenn sich zeigt, dass ihr Schlafzimmer mit einer Kamera ausgestattet ist, dann ist das ein direktes Zitat aus "The Big Sleep", in dem Humphrey Bogart einem Sex-Erpressungsplot nachspürt.
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