"Wenn ich meine Augen schließe, sehe ich eine Welt, in der alle Menschen gleich sind", so ist aus dem Off die Stimme des Schülers Zach (Jannis Niewöhner) zu hören, der in einer anonymen Großstadt lebt. Er wirkt ernst und verschlossen, streift mit Kopfhörern herum, steht allein und verloren an der Glasfront seines Luxusappartements und schaut auf die Straßen, sitzt dann schweigend im Bus, der zu einem Camp in den Bergen fährt, und träumt weiter: "Eine Welt ohne Sektoren, ohne Missgunst und Neid. Niemand muss kämpfen, nicht um sein Leben, nicht um Besitz, nicht um Gerechtigkeit." Wenn er aber seine Augen öffne, so Zach, dann sei die Welt "verlogen und kalt".
So schnell, so klar, so umstandslos geht es hier hinein in die nahe Zukunft und in die Dystopie. Die Welt ist aufgeteilt in Sektoren; wer zu den Armen gehört, darf seinen Ort nicht verlassen, wer zu den Reichen gehört, muss schauen, dass er noch weiter nach oben kommt. Zach ist ein guter Schüler, er nimmt an einem Programm des Rowald-Konzerns teil, die Besten dürfen an einer Elite-Universität studieren. Bei der Ankunft im Camp, einer Mischung aus High-Tech-Architektur und Zeltlager, wird allen ein Chip injiziert, so dass die im Wald platzierten Scanner oder die Drohnen jede Bewegung registrieren können. Trotzdem gelingt es Zach, in dieser überwachten Welt Tagebuch zu führen, und dies auch noch analog per Notizkladde, die er unter seiner Pritsche versteckt.
Das soll nun also die neue Adaption des bereits mehrmals verfilmten Romans "Jugend ohne Gott" von Ödön von Horváth sein, dieser 1937 veröffentlichten Geschichte von einem Lehrer und seinen faschistisch indoktrinierten Schülern? Es dauert tatsächlich geraume Zeit, bis der Regisseur Alain Gsponer ("Heidi") die ganz aus ihrer Zeit herausgenommene und mit neuen Blickwinkeln versehene Vorlage in seinem Film durchscheinen lässt. Der namenlose Lehrer und Ich-Erzähler des Buchs, der zu einer christlich-humanistischen Haltung zurückfindet, ist im Film zunächst nur eine Randfigur (Fahri Yardim), und für Religion wird er sich auch später nicht interessieren. Im Zentrum steht nun der störrische Zach, der Distanz zu den herrschenden Verhältnissen sucht und doch zum Mitmachen gezwungen scheint.
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