Zunächst wollte der Regisseur Adam Smith eine Dokumentation über eine berüchtigte Landfahrersippe im südenglischen Gloucestershire drehen, nun hat er in diese Grafschaft und in dieses Milieu hinein einen zwischen Thriller und Drama changierenden Spielfilm inszeniert. Wenn Chad mit einer lässig zwischen die Lippen geklemmten Zigarette hinterm Steuer hockt, den Motor aufröhren lässt und mit arrogantem Grinsen der Polizei davonrast, dann gehört er – so wie Ryan O'Neil als "Driver" (1978), Ryan Gosling in "Drive" (2011) oder aktuell Ansel Elgort als "Baby Driver" – in jene Thriller-Reihe mit mythischen Kinofluchtfahrern, die ihr Handeln selbst bestimmen. Aber wenn Chad aussteigt und vor seinem Vater Colby steht, ist es vorbei mit der Souveränität. Dann findet er sich in einem Familiendrama wieder und versucht mühsam, dem übergroßen Schatten dieses massig-schweren Mannes zu entkommen.
Brendan Gleeson spielt diesen Colby als ebenso brutalen wie gewieften Patriarchen, der wie die gefürchteten Rancherfiguren des Western die Söhne als Konkurrenten sieht und deshalb kleinhalten muss. Bloß dass seine sogenannte Ranch eben eine Ansammlung von Wohnwagenkabinen, Autos, Schrott und Gerümpel ist, durch das Hunde, Hühner und Kinder streifen. Von außen betrachtet also ein versiffter White-Trash-Rückzugsort, für Colby dagegen eine eigene Welt mit eigener Kultur. Ein Hort der Freiheit und Unabhängigkeit. Und auch ein Reich des instinktiven und vulgarisierten Klassendenkens, einer trotzigen Wir-zeigen-es-denen-da-oben-samt-ihren-Bütteln-Haltung. Im Camp hängt eine Polizistenpuppe mit aufgemalter Zielscheibe.
Keine romantischen Helden aber auch keine primitiven Kriminellen
"Die Cutlers sind keine Ganoven als romantische Helden", so erkennt der Kritiker von epd-film ganz richtig, und fährt dann falsch fort: "… sondern primitive Kriminelle. Die traurigen Konsequenzen ihrer Verbrechen – traumatisierte Kinder und eine Ächtung durch die anderen Bürger – werden zwar gezeigt, aber Schuld sind immer die anderen: die Lehrer, die Polizei, überhaupt die spießbürgerliche Gesellschaft. Diese dümmlich-selbstgerechte Perspektive machen sich fatalerweise auch die Filmemacher zu eigen." Nein, diese Perspektive machen sie sich eben nicht zu eigen! "Das Gesetz der Familie" schildert dieses Milieu zwar vorurteilslos und empathisch, aber auch so hart und unsentimental, dass eine Identifikation mit dessen Protagonisten schwerfallen dürfte. Zumal sich diese als recht komplexe Charaktere erweisen: Hinter der selbstsicheren Attitüde Colbys etwa ist die Angst zu spüren, seinen Sohn zu verlieren. Und Chad wiederum, der seine Wut mal an einem Schwachsinnigen auslässt, überrascht in dieser Macho-Welt dann wieder dadurch, dass er Verständnis für das Bettnässen seines Sohnes Tyson zeigt.
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Gerald Fix
am 05.08.2017