In Beuys' großen, wachen Augen kann man nicht nur glühende Begeisterung entdecken, sondern auch Traurigkeit und Melancholie. Im Krieg war er Jagdflieger und wurde abgeschossen. Ob ihn damals tatsächlich Tataren durch Einschmieren mit Fett und Einwickeln in Filz gerettet haben, wie er erzählt (und damit seine Vorliebe für diese Materialien erklärt), oder ob das nur, wie einige Kritiker vermuten, eine Mythologisierung der eigenen Biografie ist, wird im Film nicht entschieden. Dass dieser Absturz ("Man hat mich damals zurechtgeschossen!") sein Leben mitbestimmt hat, wird niemand bestreiten. In den fünfziger Jahren geht Beuys durch eine depressive Phase. Er spricht nicht darüber, aber das, was das Leben mit ihm angerichtet hat, fließt dafür ein in seine Kunst. "Zeige deine Wunde", so heißt eines seiner bekanntesten Werke.
"Glänzend in der Kunst und unwissend in der Ökonomie"
Und dann ist da jener Beuys, der unübersichtliche Diagramme mit wichtigen Worten versieht oder sagt: "Also die Macht des Geldes muss gebrochen werden. Heute ist Geld eine Ware, die handelbar ist. Man kann damit spekulieren. Das heißt Geld ist im Wirtschaftsbereich ein Wesen, das nicht Ware sein darf. Da es aber Ware ist, muss dieser Charakter in eine demokratische Totalität überführt werden." Häh?! Wahrscheinlich meint Andres Veiel solch diffuse Sentenzen des vom Anthroposophen-Papst Rudolf Steiner beeinflussten Beuys, wenn er gesteht: "Nicht immer habe ich ihn verstanden: Manchmal verstieg er sich in Begrifflichkeiten, mit denen ich nichts anfangen konnte." In Rudi Dutschkes Tagebüchern findet sich übrigens diese Notiz: "Joseph war glänzend in der Kunst und unwissend in der Ökonomie."
Für manche Kritiker war Beuys aber nicht mal als Künstler glänzend und eher Scharlatan als Schamane. Hans Platschek etwa hat ihm vorgeworfen, "soziale Verhältnisse nur für seine Zwecke zu instrumentalisieren und tatsächlich den kapitalistischen Kunstmarkt besonders gut mit einem metaphysisch aufgeladenen Angebot zu bedienen." Für solche Aussagen hat Veiel, und dies wohl zu Recht, keinen Platz. Er zeigt zwar in einer kleinen und komischen Sequenz, wie Beuys in Japan mal Reklame für eine Whiskymarke macht, aber dass der Künstler seine Kunst nicht nur als Geldmaschine betrachtet hat, sondern sie als gesellschaftsveränderndes Instrument ernst nahm, daran besteht für den Regisseur kein Zweifel. Und dieser rastlose Beuys hat sich für seine Kunst buchstäblich abgearbeitet und aufgezehrt. Es sei die Pflicht des Künstlers, so hat er erklärt, seine Energien restlos einzusetzen und sich zu verausgaben. Beuys hat seine Kunst gelebt, mehr noch: Er war in gewissem Sinne seine Kunst. Und um sie lebendig zu erleben, sollte man lieber ins Kino gehen als ins Museum.
Info:
Andres Veiels Film "Beuys" kommt am Donnerstag, den 18. Mai in die deutschen Kinos. In Stuttgart läuft er im Arthaus-Kino Delphi am Donnerstag, Samstag und Sonntag um 16 und 20.20 Uhr, am Freitag um 16 und 20.45 Uhr. Welches Kino in Ihrer Nähe den Film zeigt, <link http: kinofinder.kino-zeit.de programmsuche external-link-new-window>finden Sie hier.
1 Kommentar verfügbar
Max Torf
am 19.05.2017