"Du Affenmutti!", so schreit der kaugummikauende Macho-Polizist Thomas (Jan Henrik Stahlberg) eine Frau an, deren schwarzhäutigen kleinen Sohn er im Verdacht hat, seine teuren Lederstiefel geklaut zu haben. "Du vertrocknete Kunstlesbe!", so wird die Fotografin und Malerin Janine (Katja Bürkle) beschimpft, die gern um sich selber kreist und dabei Selfies macht. Die noch verheiratete Ärztin Julia (Eva Löbau) dagegen hat sich einen Callboy (Eugen Bauder) genommen und besteht in Arbeitgeber-Sachlichkeit darauf, dass dieser den Vertrag genau abarbeitet: "Ich möchte zuerst geleckt werden, dann ..." Und bevor der in freudloser Ehe feststeckende Robert (Rainer Bock) zu seinem ersten schwulen Date mit dem geschassten Lehrer Ecki (Bernhard Schütz) geht, rasiert er sich den Hintern, was dieser Film auch detailliert zeigt – inklusive dem Ausrutschen der Klinge und dem sich im Abfluss drehenden Blut.
Bis jetzt sind übrigens erst knapp die Hälfte der Protagonisten dieses Episodenfilms genannt. Auch die anderen haben in Sachen Einsamkeit, Sex und Mitleid noch einiges zu bieten, sage also kein Kinogänger, man hätte ihn nicht gewarnt! In diesem Panorama, nein, sagen wir lieber: in diesem Panoptikum deutscher Befindlichkeiten, deren Titel-Reihung auf die Nationalhymne anspielt, hat sich im Land einiges angestaut an Frust, Angst, Ärger, Zorn und Wut. Das könnte jederzeit platzen! Tut es ja auch. Schon in der ersten Einstellung werden in Zeitlupe kitschige Nippes-Kätzchen zerschlagen, ein überdeutliches Fanal, so wie die immer wieder ins Bild gefassten schwarzen Vogelschwärme oder einzelne Irrflieger, die an Fensterscheiben zerknallen.
Ausrasten, weil's im Supermarkt keine Wurstzipfel mehr gibt
Alle so schön kaputt hier! Dieser auf einem Roman von Helmut Krausser basierende und von Lars Montag inszenierte Film ist ungeheuer stolz auf das große Arsenal seiner beschädigten Figuren, die sich manchmal über oder auch in den Weg laufen. Fast alle gehören sie der verunsicherten Mittelschicht an. Lauter Egoisten, Narzissten, Sexbesessene und Gekränkte. In einer anonymen Großstadt nach Liebe suchend, aber unfähig zur Kommunikation. Im Supermarkt ausrastend, weil keine Wurstzipfel mehr da sind. Sich übers Internet in einem seltsamen High-Tech-Club verabredend, um dann zur Kopfhörermusik nebeneinander herzutanzen. Oder sich auspeitschend wie der Sektenjunge Johannes (Aaron Hilmer), weil ihn sündige Gedanken peinigen. Schlimmer geht immer. Und all diese Eskalationen inszeniert der Regisseur mit einigem Können und großer Lust.
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