Das ist aber mal ein Palast! Ein cremefarbenes Prachtstück, in dem fünfhundert Angestellte beschäftigt sind mit dem Fegen der Tennisplätze, dem Säubern der Pools und dem mit weißen Handschuhen zu bewerkstelligenden Decken der vielen Tafeln. Alles streng nach britischem Hofzeremoniell! Wenn der neue Herr des Hauses sich von seinen Kammerdienern ankleiden lässt, drückt er zuerst auf die Stoppuhr und sagt danach in mildem Ton, das könne noch schneller gehen. Gespielt wird dieser ordensbehängte Mann von Hugh Bonneville, der als langjähriger Chef des englischen TV-Adelssitzes Downton Abbey Erfahrung für einen solchen Job mitbringt und der sich nun, was seinen neuen Titel Vizekönig und das Ausmaß seines Palastes im indischen Delhi betrifft, klar verbessert hat. Allerdings wird seine im Jahr 1947 angetretene Regentschaft nicht in Serie gehen: Denn dieser Lord Mountbatten ist mit seiner Frau Edwina (Gillian Anderson) nur gekommen, um die Kronkolonie in die Unabhängigkeit zu entlassen.
Die in England aufgewachsene Regisseurin Gurinder Chadha ("Kick it like Beckham"), deren Familie aus der ehemaligen indischen Provinz Punjab stammt, erzählt in "Der Stern von Indien" aber nicht nur die Geschichte einer Entkolonialisierung, sondern gleichzeitig die einer Aufteilung, deren gravierende Folgen bis heute nachwirken. Während Mountbatten noch mit Gandhi, Nehru und dem Muslimführer Ali Jinnah darüber verhandelt, ob die Kronkolonie ihre Unabhängigkeit als ein einziger Staat erringt oder in die Teile Indien und Pakistan zerfällt, dringen aus den von Hindus, Sikhs und Moslems bewohnten Gebieten im Norden schon Nachrichten von Attentaten, Pogromen und Massakern in den Palast. Und selbst hier brechen nun Konflikte innerhalb der Dienerschaft aus: Als der Abzug der gemeinsam ungeliebten Kolonialherren bevorsteht, kommt das Trennende unverhüllt zum Vorschein, stehen sich also viele Hindus und Muslime plötzlich feindselig gegenüber.
Infos geschickt in Dialogen verpackt
"Die Geschichte wird von Siegern geschrieben". Dieses Churchill-Zitat stellt die Regisseurin ihrer britisch-indischen Produktion voran. Sie will nun, siebzig Jahre nach der Teilung, allen Parteien gerecht werden. Es sei ihr wichtig, so sagt Gurinder Chadha, "eine Sprache der Versöhnung anzustimmen, die Pakistaner, Inder und Briten gleichermaßen erreicht." Und so erzählt sie nicht nur vom stets um Fairness bemühten Lord Mountbatten, dem der gute Wille im Gesicht steht, und seiner fortschrittlichen Frau Edwina, die auf dem Speiseplan indische Gerichte durchsetzt, sondern auch vom Kammerdiener Jeet Kumar (Manish Dayal), einem Hindu, der sich um die muslimische Hofangestellte Aalia Noor (Huma Qureshi) bemüht. Eine dramaturgisch aufgesetzte Liebe. Sozusagen eine Liebe für den guten Zweck. Ihr Film, in dem viele Informationen ("92 Prozent Analphabeten") recht geschickt in die Dialoge eingeklinkt sind, richte sich "sowohl an das Herz als auch an den Verstand", sagt die Regisseurin, und fährt fort: "Um ein größeres Publikum zu erreichen, musst du Aufklärung mit Unterhaltung paaren."
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