Sie heißt Maudie (Sally Hawkins), ist sehr schmal und wirkt sehr zerbrechlich. Gerade hat ihr brutal egoistischer Bruder das Haus der Eltern verkauft, den Erlös eingesackt und seine Schwester der strengen Tante übergeben. Aber in diesem nach kleinlicher Sauberkeit und säuerlicher Bigotterie riechenden Haus an der kanadischen Ostküste, in dem ihr nur befohlen und nichts zugetraut wird, will Maudie nicht länger wohnen. Jetzt steht sie in einer Ecke des örtlichen Kramladens und hört, wie der große, klobige Hausierer Everett (Ethan Hawke) sich erkundigt, ob schon jemand auf seinen Haushaltshilfe-gesucht-Zettel reagiert hat. Bald danach hinkt Maudie, die als Kind an arthritischem Rheuma erkrankt ist, über eine staubige Landstraße zu Everetts selbst gezimmertem Holzhäuschen, mit seinem Elf-Quadratmeter-Grundriss eher als Verschlag zu bezeichnen, und stellt sich vor.

Der wortkarg-ruppige Everett aber, ehemaliges Waisenkind und nun ein störrisch auf Distanz bedachter Außenseiter, kann sich für diese Frau mit den dunklen Wuschelhaaren nicht erwärmen. Wie soll sich die so schief ins Leben hineingewachsene Maudie nützlich machen, wie soll sie mit ihren krummen Händen für ihn putzen, waschen, kochen? Everett weist sie ab. Er kann keinen Krüppel gebrauchen, will sie zurückschicken in das Kaff, in dem sie sich wieder vorkommen würde wie eingesperrt. Sie aber steht noch ein bisschen herum, bleibt hartnäckig in ihrer Not, erzählt vom bevorstehenden Weg nach Hause und den Kindern, denen sie begegnen wird. "Ich wette, die werfen wieder Steine nach mir!", sagt Maudie und lächelt. Er wird sie schließlich doch noch aufnehmen, sie werden heiraten und auf ihre Weise glücklich sein.
"Zwei Seelen, die am Rande der Gesellschaft existieren, finden einander und verändern sich im Laufe ihres gemeinsamen Lebens", so fasst die Regisseurin Aisling Walsh ihren in den dreißiger Jahren beginnenden und bis in die sechziger Jahre hinein erzählten Film zusammen, der auf dem wahren Leben der Künstlerin Maudie Lewis und ihres Mannes Everett basiert. "Ein verwundeter Vogel und eine Vogelscheuche", so charakterisiert Walsh ihre beiden Protagonisten, deren Zusammenwachsen sie ebenso einfühlsam wie zupackend schildert. Zum Beispiel, wenn Maudie sich als Köchin beweisen will, ein Huhn aus dem Gehege holt, es ganz sanft hält und tröstet und sich dann, den Tränen nahe, überwindet und zum Beil greift. Und wie Everett, der ihr Essen vorher verächtlich weggeschoben hat, diesmal wortlos reinhaut. In quasi schwäbischer Schweigsamkeit: Nix gsagt isch gnug globt!
Maudie malt einfach, was sie sieht
Und Maudie, die mal sagt, dass sie besser sei "als ein Hund", bringt dann buchstäblich Farbe in Everetts Hütte. Sie pinselt die Wände voll mit Bäumen, Blumen und Vögeln. Sie malt, was sie sieht und vor allem, was sie fühlt. Sie schaut mit wachen Augen aus dem Fenster und holt sich die große Welt in ihr winziges Zuhause, indem sie sich diese Welt auf ihre Art gestaltet. Blaue Himmel und Seen, grüne Wiesen und Wälder, weiße Wolken und Schneelandschaften. Und immer wieder auch ein Mann und ein Häuschen. All dies in kunstvoller Naivität und in Farben, die so leuchten wie ihr Gesicht. Und was macht Everett? Er ignoriert alles mit mürrischer Unbeholfenheit, hat einfach keine Antenne für ihre Malerei, kann mit ihren Bildern nichts anfangen. Nein, er ermuntert sie nicht. Aber er lässt sie immerhin gewähren. Dann steht eines Tages eine reiche und kunstsinnige Sommerfrischlerin aus New York vor der Tür, sieht Maudies Bilder und kauft ihr welche ab. Maudie wird entdeckt.
0 Kommentare verfügbar
Schreiben Sie den ersten Kommentar!