Peter Steudtner ist einer von elf Deutschen, die nach dem Putschversuch in der Türkei festgenommen wurden und noch immer in Untersuchungshaft sitzen – wie der "Welt"-Journalist Deniz Yücel, gegen den nach mehr als 250 Tagen Haft noch keine Anklageschrift vorliegt. Oder Meşale Tolu, die seit April im Gefängnis sitzt. Die Tübinger Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Heike Hänsel, hat den Prozess gegen die 33-jährige Journalistin aus Neu-Ulm vor Ort beobachtet, besucht Mahnwachen für Tolu und setzt sich als eine der wenigen BundespolitikerInnen öffentlich und mit Nachdruck für die Inhaftierten ein.
Frau Hänsel, wie haben Sie den Prozess gegen Meşale Tolu erlebt?
Der Prozess fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Selbst im Gerichtssaal gab es Polizei und Militär. Von einem rechtsstaatlichen Verfahren kann keine Rede sein, es ist eindeutig ein politischer Prozess, die Anklage ist völlig konstruiert und ohne reale Beweise. Auch die Anwälte haben dies mehr als deutlich dargestellt. Auch der leitende Richter war befangen, er war gleichzeitig Haftrichter, der die Haft für Meşale Tolu und <link https: www.welt.de politik ausland article169837392 der-fall-yuecel-sollte-kein-politikum-sein.html _blank external-link>Deniz Yücel angeordnet hat.
Wie würden Sie den Prozess gegen Meşale Tolu politisch einordnen?
Meşale Tolu wird vor allem als deutsche Staatsbürgerin sozusagen als Geisel festgehalten. Ihr werden Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Dabei geht es um Teilnahmen an Gedenkveranstaltungen für getötete Kämpfer in Rojava im Norden von Syrien, die gegen den IS gekämpft haben und um ihre journalistische Arbeit bei der linken Nachrichtenagentur Etha. Auch allen anderen Angeklagten, es waren insgesamt 18, wurden linke Aktivitäten vorgeworfen, zum Beispiel die Teilnahme an 1.-Mai-Demonstrationen oder das Tragen einer roten Fahne. Alle Veranstaltungen sind aber polizeilich genehmigt gewesen. Mit diesen Anklagen sollen linke Einstellungen und Aktivitäten generell kriminalisiert werden.
Welche Auswirkung hat die Inhaftierung deutscher Journalisten und Aktivisten auf die linke Presse in der Türkei? Inwieweit ist offene Solidarität dort möglich?
Der Druck nimmt weiter zu, nachdem bereits über 170 Journalisten in der Türkei in Haft sind. Die linke Nachrichtenagentur Etha ist zwar bisher nicht verboten, aber immer mehr Journalisten der Agentur werden verfolgt. Erst vor wenigen Tagen wurden weitere Kolleginnen von Meşale Tolu verhaftet, ihre Wohnungen verwüstet und ihre Presseausweise verbrannt. Dies fand nach dem Prozess statt. Das ist ganz klar als Versuch der Einschüchterung und als weitere Kriminalisierung zu werten.
Die Solidarität mit Deniz Yücel, Meşale Tolu und Peter Steudtner in der deutschen Bevölkerung und in den Medien ist groß. Was tut die deutsche Politik konkret?
Die inhaftierten deutschen Staatsbürger werden vom Generalkonsulat betreut. Es fehlt meines Erachtens aber deutlich mehr Druck auf das Erdogan-Regime von Seiten der Bundesregierung. Sie lässt sich vorführen. Seit sechs Monaten fordert Außenminister Gabriel die sofortige Freilassung, passiert ist bisher nichts.
1 Kommentar verfügbar
Andromeda Müller
am 27.10.2017Bankenregulierung , Artenschutz , Klimaschutz , Verbraucherschutz , Kurnaz , Frontex
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