Ende der 1990er Jahre begann eine Kontroverse um die Mölders-Kaserne im niedersächsischen Visselhövede. Sie war benannt nach dem Jagdflieger Werner Mölders, einem der höchst dekorierten deutschen Luftwaffensoldaten im Zweiten Weltkrieg, davor auch schon Mitglied der "Legion Condor" im Spanischen Bürgerkrieg. Nach mehreren Bundestagsanfragen der Grünen und der Linken wurde ein Gutachten des Militärgeschichtlichen Forschungsamts (MGFA) in Potsdam in Auftrag gegeben, das 2004 vorgelegt wurde – und Mölders als nicht traditionswürdig einstufte.
Denn Mölders könne als das "Muster eines NS-konformen Soldaten" gelten, der stets im Sinne der Kriegsführungspolitik des Hitler-Regimes gehandelt habe und sich zudem bereitwillig von diesem als Propagandaheld inszenieren ließ. Wegen seiner militärischen Tüchtigkeit im Dienste des NS-Regimes sei er in der Bundeswehr zum Vorbild erklärt worden, "ohne auf den politischen Zusammenhang zu achten". Doch "mit einem derartigen Blick auf den Nur-Soldaten, der die militärische Leistung löst vom politischen Zweck", so die Studie, sei "eine konstitutive Dimension der Inneren Führung" nicht beachtet worden.
Militärische Leistung darf also nicht losgelöst betrachtet werden von ihrem politischen Zweck, und der war in den vom NS-Regime entfesselten Kriegen verbrecherisch. Eine klare Position, die eigentlich keine Frage offen lässt und als Blaupause für den aktuellen Umgang mit Wehrmachtstraditionen in der Bundeswehr dienen könnte. Nach ihr wäre klar, dass auch ein Generalfeldmarschall Erwin Rommel nicht für die Bundeswehr traditionsstiftend sein und damit als Namensgeber für zwei Kasernen dienen kann.
Dass auch entsprechend gehandelt wird und alle nach Wehrmachtsoffizieren benannten Kasernen umbenannt werden - mit Ausnahme der nach Widerstandskämpfern benannten -, darauf ließen Aussagen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in einem am 14. Mai veröffentlichen Interview schließen. Worauf sich umgehend Widerstand regte und Relativierungen gefordert wurden - etwa bei Namensgeber Rommel (<link https: www.kontextwochenzeitung.de zeitgeschehen aerger-mit-der-wehrmacht-4366.html internal-link-new-window>Kontext berichtete). Mittlerweile scheint die Ministerin wieder zurück zu rudern. So lässt sich auch eine <link https: www.bundeswehr.de portal a bwde start streitkraefte grundlagen geschichte tradition kasernennamen p z1 dz d5 l2dbisevz0fbis9nqseh internal-link-new-window>Meldung vom 16. Mai auf der Bundeswehr-Homepage deuten, die sich dem Prinzip der Kasernenbenennungen widmet: Namensgebungen seien in einem Prozess bei den betroffenen Bundeswehrangehörigen "von unten" zu initiieren, und dieser Prozess sei nun im Zuge der aktuellen Diskussion neu anzustoßen. Was dabei herauskommen kann, zeigte sich etwa bei der nach dem umstrittenen Jagdflieger Helmut Lent benannten Kaserne im niedersächsischen Rotenburg: Hier sprach sich die Belegschaft der Kaserne gegen eine Umbenennung aus - obwohl das MGFA auch hier in einem Gutachten dafür plädiert hatte, ähnlich begründet wie bei Mölders.
"Bei der Bundeswehr wird Basisdemokratie vorgegaukelt"
Für vorgeschoben hält Jakob Knab denn auch die Argumentation mit der bewährten Benennung "von unten". "Da wird Basisdemokratie vorgegaukelt", sagt der Historiker und ehemalige Gymnasiallehrer aus Kaufbeuren, "um letzten Endes die 'Kriegshelden' der Wehrmacht über die Runden zu retten". Tatsächlich seien Kasernen in den vergangenen 20 Jahren "überwiegend aufgrund von Druck aus der Zivilgesellschaft" umbenannt worden, nicht durch Soldaten vor Ort. Viele dieser Umbenennungen hat dabei Knab initiiert, seit 1987 engagiert er sich gegen noch bestehende Wehrmachtstraditionen in der Bundeswehr.
7 Kommentare verfügbar
Eric Raasch
am 28.05.2017Hat ein Land eine Armee, dann hat man eine…