Wilfrid Hoffmann hat in der Schule schon den Till Eulenspiegel gegeben, bei der 1200-Jahr-Feier von Rheinzabern war er Graf, dann ein Betrunkener, an diesem Mittwochvormittag ist er Malik mit schwarz-blauer Mütze und scharf rasiertem Bart, Bürgermeister einer Ortschaft, die hier Dragaš heißt. Er steht mit einer Handvoll Soldaten auf der Wiese und erklärt sein Dorf: ein Dutzend Gartenhäuschen, ein alter Hubschrauber, ein Panzer, ein Autowrack, aus dessen Motorhaube Blumen wachsen, ein Friedhof mit Holzkreuzen und einer Schaufel, die erwartungsvoll in der Erde steckt, als würde sie auf den nächsten Toten warten. "Delta hier, Delta zwei kommen", funkt einer, ein Funkgerät knistert von irgendwoher zurück. Es gebe einen Hilfspolizisten im Dorf, sagt Malik. "Der hat auch eine Waffe."
Hoffmann kommt aus dem Norden. Die Liebe habe ihn hier heruntergezogen sagt er, die Landschaft sei platt wie ein Pfannkuchen. Hoffmann ist 66 Jahre alt. Früher war er Maurermeister, hat auch mal Umweltschutz studiert. Heute ist er Rentner und einer von 25 Schauspielern, die seit April 2015 in sogenannten militärischen Rollenspielen für diejenigen Soldaten Krieg und Krise nachspielen, die sie irgendwann real erleben müssen.
Ins Ausbildungsbataillon der Südpfalz-Kaserne kommen Soldaten der Luftwaffe aus ganz Deutschland zu praktischen Trainingseinheiten. Es gibt einen Parcours mit Wänden, Staffeln und Kreuzen im Boden, einen stockfinsteren Tunnel, in dem Sehen mit Nachtsichtgeräten geübt wird, es gibt die Dörfer Dragaš und Dobis und das Main Gate, Nachbau der Einfahrt in ein Bundeswehrlager – Wachhäuschen, Aussichtsposten, eine vergitterte Eingangsschleuse. Die Hinweisschilder sind in Englisch und Arabisch, die Situation könnte überall sein. Xfor nennt man das. Unbestimmtes Land.
Hoffmann ist von Anfang an dabei. Das Schauspielerische gefällt ihm. Er mag seine Rolle. Malik sei ein guter Typ, sagt er. Einer, der sich um seine Bevölkerung kümmert, der alles weiß, er ist das Eingangstor zu den beiden Ortschaften und derjenige, ohne dessen Information das ganze Szenario nur böse enden kann. Es sei ganz wichtig, sich in seine Rolle richtig reinzufühlen, sagt Hoffmann, und seiner Figur einen Charakter zu geben, Autorität, Kompetenz, Authentizität, damit es sich für die Soldaten anfühlt wie in echt. Unberechenbar. Das mag er. Das Unvorhergesehene. Auch jeder Soldat reagiert anders, sagt Hoffmann und seine Augen funkeln begeistert, als er erzählt, wie er einmal einfach an der ganzen Truppe vorbeigelaufen sei, ohne ein Wort zu sagen. Die hätten alle ganz schön geguckt, Mannomann.
Im Hintergrund explodiert mit einem Knall eine Mine und reißt einem Mann den Arm ab. Malik kniet jetzt auf der Wiese. Es knallt noch mal, leiser, ein Soldat hat aus Versehen den Hilfssheriff erschossen. Plastikdärme quellen aus dessen Sweatshirt wie Würmer.
6 Kommentare verfügbar
Sven Lehmann
am 09.07.2016