Stuttgart, Ulm und Biberach: Das sind nicht nur Städte an der Schwäbischen Eisenbahn, sondern auch solche, in denen es Moscheen gibt – wie in insgesamt 180 Ortschaften im Land. In Stuttgart sind es mehr als zwanzig, keine davon bisher in einem eigens für diesen Zweck gebauten und nach außen auf den ersten Blick als Moschee identifizierbarem Gebäude. Die Fatih Camii des türkisch-islamischen Kulturvereins Ditib in Biberach ist in einem verputzten und hellgelb gestrichenen barocken Gebäude am Rand der Altstadt untergebracht. Die Ulmer Zentrum-Moschee befindet sich dagegen in einem Gewerbegebiet zwischen Autohäusern und anderen Zweckbauten, ist aber an einem ungewöhnlichen, blau-gläsernen Minarett weithin als islamisches Gotteshaus erkennbar.
Ein Seminar am Institut für Architekturgeschichte der Universität Stuttgart hat sich im Wintersemester 2016/17 den Moscheen der Region Stuttgart gewidmet. Unter Anleitung von Ulrich Knufinke, eigentlich ein Experte des jüdischen Sakralbaus, mit Unterstützung von Levent Güneş von der Abteilung Integrationspolitik der Stadt Stuttgart und dem Islam- und Religionswissenschaftler Hussein Hamdan von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, arbeiteten sie sich in das Thema ein. Die Ergebnisse ihrer Recherchen sind nun ab Donnerstag, 7. Dezember in der Universitätsbibliothek zu sehen.
Für Katharina Philana Rindtorff, die demnächst den Entwurf einer Moschee in Stuttgart als Masterarbeit abgeben wird, stellt sich die Frage nicht, ob Muslime zu Deutschland gehören, schreibt sie im Katalog, der zu der Ausstellung erscheint. "Für heutige Studierende der Architektur und Stadtplanung", so Rindtorff weiter, stelle sich eine ganz andere Frage: "Der Islam gehört zu Deutschland, doch wo sind die Moscheen?"
Jeder zehnte Stuttgarter ist muslimisch
Fast zwei Drittel der unter Achtzehnjährigen in Stuttgart stammen aus Familien, in denen mindestens ein Eltern- oder Großelternteil aus einem anderen Land eingewandert ist, auch wenn sie selbst überwiegend in Stuttgart geboren sind. Die größte Gruppe unter den Migranten sind die Türken. Doch ebenso viele Muslime – oder ihre Vorfahren – stammen aus anderen Ländern. Insgesamt bekennt sich jeder zehnte Stuttgarter zum Islam.
Doch die wenigsten Stuttgarter Moscheen sind auf den ersten Blick als solche erkennbar. Sie liegen zudem häufig in Industriegebieten, wo sie kaum ein Mensch wahrnimmt. Lange Zeit war das in Deutschland und den Nachbarländern normal. Anfangs mussten Kellerräume genügen, bevor die Migranten es sich leisten konnten, ehemalige Autohäuser oder Fabrikgebäude anzumieten und die sogenannten Hinterhofmoscheen entstanden.
Aber natürlich ist das auf Dauer unbefriedigend. Eine Moschee muss in erster Linie schön sein, ein Ort, an dem man sich gern aufhält, sagen viele der Gesprächspartner der Studenten im Katalog. Mannheim war eine der ersten Städte, wo Mitte der Neunzigerjahre im Stadtteil Jungbusch, als eine von vierzehn Moscheen der Stadt, der repräsentative Neubau der Yavuz-Sultan-Selim-Moschee entstand. Seither sind unter anderem in Aalen, Esslingen oder Weil der Stadt weitere Neubauten dazu gekommen.
Es ist zumeist ein langer und steiniger Weg: Erst kürzlich hat die Stadt Stuttgart einer Gemeinde im Stadtteil Stammheim den Betrieb einer Moschee untersagt: weil sie in einem Gewerbegebiet liegt, wo andere Nutzungen nicht zulässig seien. Anderswo können sich die Vereine aber oft die Räume nicht leisten. In Esslingen war das Minarett einen Meter höher als erlaubt. Nicht dass eine Moschee heute unbedingt ein Minarett bräuchte: Einen Muezzin, dessen Stimme über den Verkehrslärm hinweg bis zu den fernen Wohngebieten der Gläubigen durchdringt, gibt es nicht. Aber das Minarett dient, wie der Kirchturm, auch dazu, die Moschee zu finden.
Das Minarett als Wegweiser
Das erste Stuttgarter Minarett, ein schlanker, quadratischer Turm aus Beton, aus dessen vier Seiten jeweils zeichenhaft die typische Minarettform herausgeschält ist, dient daher auch als Titelmotiv der Ausstellung. Der ursprünglich bosnischen Gemeinde im Industriegebiet Wangen war es wichtig, ein weithin erkennbares Zeichen zu setzen, damit Gläubige die Moschee überhaupt finden. Aber sobald eine Moschee an einem Minarett oder einer Kuppel auf den ersten Blick als solche erkennbar ist deutlich, warnen Rechtsnationale reflexhaft vor einer "Überfremdung des Abendlands".
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Horst Ruch
am 08.12.2017