Mit der Linie 2 katapultiert sich Ulm in ein neues Zeitalter. Bisher zuckeln zwei Buslinien durch die Innenstadt und die Weststadt, überqueren auf der Lupferbrücke die Bahngleise und fahren dann auf verschiedenen Wegen zur Universität und zur Wissenschaftsstadt hinauf. Fahrtzeit: 20 Minuten. Die Straßenbahn wird diese um sechs Minuten, gefühlt sicher auf die Hälfte verkürzen.
1999 hatte sich noch eine hauchdünne Mehrheit der Bürger gegen den Straßenbahnausbau ausgesprochen. Damals verkehrten in Ulm noch die alten, in Stuttgart ausrangierten Straßenbahnwagen des Typs GT 4. Seit 2003 sind dagegen nur noch moderne Niederflurwagen im Einsatz: leise, barrierefrei und bequem, zudem in Punkto Sicherheit den Hochflur-Stadtbahnwagen, die in Stuttgart alle paar Tage in Unfälle verwickelt sind, um Längen voraus.
216 Millionen soll das Projekt nach derzeitigem Stand kosten, 56 Millionen übernimmt Ulm selbst, der Rest stammt aus Fördermitteln des Bundes und des Landes. Dazu kommen noch 31 Millionen für die zwölf Straßenbahnzüge. 31,5 Meter lang sind sie, vierteilig mit drei Gelenken. Bei rund 70 Sitzplätzen können sie über 200 Fahrgäste aufnehmen. Ein Gelenkbus mit rund 45 Sitzplätzen kann da nicht mithalten. Im Berufsverkehr sollen die Straßenbahnen im Fünf-Minuten-Takt verkehren. Da sie die Bremsenergie ins Netz zurückspeisen, verbrauchen sie weniger Energie als ein Bus. Und sie sind wesentlich leiser als ein Pkw, wie Messungen ergeben haben.
Ulm rechnet mit 8300 neuen Fahrgästen pro Tag. Das wird die Straßen entlasten. Die reine Fahrtzeit mit dem Auto von der Wissenschaftsstadt bis zum Bahnhof beträgt zehn bis zwölf Minuten. Da sind mögliche Staus und das Einfädeln ins Parkhaus aber noch nicht mitgerechnet. Die Linie 2 ist hier durchaus konkurrenzfähig. Um die 10 000 Menschen arbeiten im Uni-Gebiet. Eine standardisierte volkswirtschaftliche Bewertung hat ergeben, dass die ökonomischen Vorteile des Projekts deutlich die Kosten überwiegen. Schon im nächsten Jahr soll die Linie 2 startbereit sein.
Als nächstes kommt ein regionales S-Bahn-Netz
Damit nicht genug. Die Stadt plant mit der Region Donau-Iller bereits seit acht Jahren ein regionales S-Bahn-Netz. Im Dezember 2015 haben die beteiligten Städte und Landkreise einen Verein Regio-S-Bahn Donau-Iller gegründet, der die Aufgabe hat, das Projekt stufenweise zu realisieren. Länderübergreifend sollen die Linien bis weit ins baden-württembergische und ins bayrische Umland ausgreifen. Acht Linien sind geplant, unter anderem nach Laupheim und Biberach, Blaubeuren, Günzburg, Memmingen und Aalen.
Es bleibt abzuwarten, wie schnell das Projekt vorankommt. Aber wenn es einmal soweit ist, sind Orte wie Krumbach (Schwaben), Weißenhorn, Sontheim-Brenz oder Obermarchtal, wo bisher bestenfalls stündlich ein Zug fährt, im Halbstundentakt erreichbar. Das gesamte Umland bis hinab ins Allgäu wird zum Ulmer Einzugsgebiet, mit dem mittleren Neckarraum und Stuttgart vergleichbar. Geislingen, das durch Stuttgart 21 von der Bahnlinie abgehängt wird, ist dann besser mit Ulm verbunden, ebenso wie Aalen.
Während sich die Feinstaubhauptstadt Stuttgart schwer tut, ausreichend bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen, damit neue Pendlerströme in Gang setzt und mit dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs nicht nachkommt, erschließt Ulm zuerst das Umland und eröffnet damit neue Möglichkeiten, weit draußen auf dem Land kostengünstig zu wohnen und in der Stadt zu arbeiten. So wird die Stadt mit rund 120 000 Einwohnern (mit Neu-Ulm 170 000) zum Kern einer Agglomeration, in dem rund eine Million Menschen leben. Meist zu attraktiveren Konditionen, als in der Landeshauptstadt.
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David Sohn
am 26.10.2017