Es geht um die Zukunft der Klimapolitik im Land und damit um die Zukunft insgesamt. In einer Zeit, in der die Themen Ökologie und Klimaschutz so wenig Konjunktur haben wie schon lange nicht mehr. Das ist paradox nach dem wärmsten März seit Beginn meteorologischer Aufzeichnungen oder angesichts der Niedrigwasserstände an Rhein und Bodensee mit Auswirkungen auf Güterschifffahrt und Tourismus. Aber irgendwie scheinen Hitze, Dürre, Starkregen und Stürme im Lebensgefühl vieler inzwischen eingepreist zu sein als entweder unabänderlich oder doch noch rechtzeitig zähmbar. Dabei spricht für letzteres immer weniger.
Von der früheren Top-Priorität
Im Juli 2021 hatten die Chefs der Koalitionsfraktionen Andreas Schwarz (Grüne) und Manuel Hagel (CDU) den neuen Klimasachverständigenrat als einen von fünf Punkten des "fortschrittlichsten und modernsten Klimaschutzgesetzes in Deutschland" gerühmt. "Klimaschutz hat für uns Top-Priorität", so Hagel damals. Es werde nicht nur geredet, "sondern wir handeln, zügig und effektiv". Von beidem ist wenig geblieben. Der Klimasachverständigenrat ist per Gesetz verpflichtet, regelmäßig Bericht zu erstatten. Unmissverständlich prophezeit er, dass das Land die Reduktion des Treibhausgasausstoßes auf 36,3 Millionen Tonnen um 17 Prozent verfehlen wird. Die Klimaexpert:innen sehen den Tatbestand einer "drohenden erheblichen Zielverfehlung" als erfüllt an. Deren Bericht wird laut Paragraf 16 "nach Beschlussfassung durch die Landesregierung dem Landtag zugeleitet". Wird eine drohende erhebliche Zielabweichung festgestellt, "beschließt die Landesregierung möglichst innerhalb von vier Monaten nach der Beschlussfassung über den Bericht die erforderlichen Landesmaßnahmen". So weit die Theorie. In der Realität ist diese Zielabweichung zwar festgestellt, die vier Monate sind verstrichen – passiert ist jedoch nichts. Trotz dieses dringenden Hinweises der Klima-Fachleute: "Die verbleibende Zeit der laufenden Legislaturperiode muss eine Zeit der Umsetzung sein, nicht mehr der Ziele und Strategien." Das werde darüber mitentscheiden, ob "Baden-Württemberg als wirtschaftlich prosperierender Standort mit hoher Lebensqualität erhalten werden kann". Natur- und Umweltschutzverbände haben sich mehrfach und immer lauter ähnlich geäußert. Der Rat empfiehlt unter anderem "zur Gestaltung eines verlässlichen Rahmens auf Landesebene": die Einführung von Beteiligungsmodellen zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Stromerzeugung, ein Finanzierungsmodell für die grüne Wärmewende und neue Wärmeinfrastruktur, eine Modernisierungs- und Aktivierungskampagne für fossil beheizte Gebäude, die Forcierung von Maßnahmen des Carbon Managements, den konsequenten Kapazitätsausbau im ÖPNV oder Anreize für die Konsumenten zur Reduktion des Fleischkonsums bei gleichzeitigem Umstieg auf heimische Qualitätsprodukte. (jhw)
2 Kommentare verfügbar
Claudio
vor 2 TagenKlimaneutral strom…