Die Inszenierung sollte perfekt sein im Frühjahr 2021: Im Stuttgarter "Haus des Waldes" zelebrierten der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl und sein damaliger Generalsekretär Manuel Hagel ihre Rollen als Gastgeber zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen nach der Landtagswahl im Südwesten. Natürlich musste Hermann Hesse herhalten mit seinem bis zum Überdruss plattzitierten "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne", auch wenn Grüne und CDU zu diesem Zeitpunkt bereits die fünf Jahre der vorangegangenen Legislaturperiode miteinander regiert hatten. Innenminister Strobl fand unterm Fernsehturm sogar Zeit für ein Schwätzchen mit ein paar versprengten Demonstrant:innen: "Sie glauben nicht, was dieser Tanker CDU für eine Wucht entwickeln kann." Und er kündigte an, Grüne und Union würden sich selbstredend nicht gegenseitig hinter die Fichte führen. Jedenfalls findet sich im großspurig "Erneuerungsvertrag" getauften Koalitionspapier die hehre Absicht, Baden-Württemberg "als Klimaschutzland zum internationalen Maßstab zu machen".
Unterstellt, dieser Anspruch wäre ernst gemeint, sogar unterstellt, der mittlerweile zum Fraktionschef im Landtag aufgestiegene Hagel hielte die sogenannte Bewahrung der Schöpfung wirklich "für die Zukunftsaufgabe schlechthin" – ein Verhandlungserfolg wäre selbst dann keineswegs sicher. Im Denken und Fühlen beim Thema Klimaschutz sind sich die beiden ungleichen Partner fremd geblieben. Die Grünen wollen ordnungspolitische Leitplanken einziehen, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann gerne, um den Begriff Verbote zu vermeiden, weil der Markt "uns dorthin gebracht hat, wo wir heute stehen".
Kritik am Markt ist in der CDU eines Friedrich Merz aber so tabu wie eh und je. Die Konservativen setzen auf "Innovationen und technologischen Fortschritt statt Bevormundung und Verbote", wie der umweltpolitische Sprecher Raimund Haser schon im vergangenen Landtagswahlkampf immer und immer wieder erklärte. In einem Positionspapier der Fraktion zur Klimaneutralität finden sich dementsprechend außer Jahres- und Seitenzahlen keinerlei Zahlen – und erst recht keine, die konkret sagen würden, was es bedeutet, wenn Baden-Württemberg bis 2040 gänzlich klimaneutral sein will. Vielmehr plädieren die Schwarzen dafür, den Fokus auf bereits heute bekannte und verfügbare, in jedem Fall aber ausbaufähige Energiequellen zu legen.
Der Plan der Union ist das Prinzip Hoffnung
Das klingt gut, gehorcht aber vor allem dem Prinzip Hoffnung, weil sich der Abstand zwischen den angestrebten CO2-Einsparungen und der Umwandlungsgeschwindigkeit fossiler Energieträger hin zu alternativen schließen muss. CDU-Abgeordnete versuchen Zweifel an der Erreichbarkeit dieses Ziels zu zerstreuen, reden viel von einer schönen Zukunft und wenig von einer problembeladenen Gegenwart. Die Grünen, namentlich die Umweltministerin, gehen einen ganz anderen Weg. Thekla Walker hat, nachdem allzu viele ihrer Kabinettskolleg:innen nicht in die Puschen kommen wollen, ein umfangreiches "Gesetz zum Erlass eines Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetzes und zur Verankerung des Klimabelangs in weiteren Rechtsvorschriften" erarbeitet. Hinter dem sperrigen Titel verbirgt sich reichlich Sprengstoff.
4 Kommentare verfügbar
Gerald Wissler
am 04.08.2022Da ist sogar die SPD eigenständigerer Koalitionspartner, obwohl die sich auch extrem an die Grünen anbiedern.