Der neue Klimafahrplan jedenfalls traut sich nicht einmal mit Samthandschuhen an die Wirtschaft heran. Und er ist auch ein Beleg für zuvor verschwendete Zeit: Wer auf einmal, wie Nopper, im Eilverfahren "Höchst- und Rekordleistungen" fordern muss, der hat zu lange nicht gehandelt. Das Ziel sei, so der OB, ambitioniert, sei sportlich, die Latte sei höher gelegt als bei anderen Akteuren, als beispielsweise im Land, im Bund oder noch vor kurzem in Stuttgart selbst. Nopper sagt, er habe zwischenzeitlich sogar gefürchtet, das Ziel könnte sogar "zu ambitioniert" sein – doch sein Zen fand der Schultes schnell wieder. Und zitiert Hermann Hesse: "Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen."
Kosten soll die Umsetzung der Klimaziele elf Milliarden Euro. Viel Geld für Klimaschutz, um den sich die Stadtverwaltung aber erst nach der Sommerpause kümmert. Die Unternehmensberatung McKinsey, die im Auftrag der Stadt die Erreichbarkeit der Klimaziele prüfte, hat berechnet: Bis in die 2030er oder 2040er Jahre haben sich die Investitionen auch wirtschaftlich rentiert. Als wäre das das wichtigste. Nur kein Klimaschutz hätte ein noch größeres Loch in den Stuttgarter Haushalt gefressen.
Obwohl Nopper und Kotz ihr Bestes tun, es nicht danach aussehen zu lassen: Die Stuttgarter Bemühungen bleiben nicht mehr als trostloses Mittelmaß. Auf die Unsportlichkeit und die Verweigerungshaltung von Bund und Land zu verweisen und Alibi-Klimaziele anzuführen, die gefährlich weit in der Zukunft liegen, machen die Landeshauptstadt kaum zum Vorzeigeathleten.
Evergreens aus Tübingen
Dass in Sachen Klimaschutz deutlich engagierteres Handeln möglich ist, zeigen andere Städte, auch in Baden- Württemberg. Manche lassen sich ihre Klimabemühungen klugerweise von der EU sponsern, andere machen einfach. Klassenprimus ist, wie so oft, das studentisch geprägte Heidelberg. Hier will man bereits 2030 klimaneutral sein, fünf Jahre früher als in der Landeshauptstadt – ebenso in Tübingen. Und auch Mannheim hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, bis zum Ende des Jahrzehnts CO2-Ausstoß und -Verbrauch in Einklang zu bringen. Grob fahrlässig peilte man in Stuttgart hingegen bis zum vergangenen Mittwoch eine grüne Null erst im Jahr 2050 an– ein Vorschlag, mit dem der Bund bereits sang- und klanglos am Bundesverfassungsgericht gescheitert war. Warum klappt es andernorts so viel besser?
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Emil
am 24.12.2022