Sie arbeiten als Leiterin Klima und Außenpolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (siehe Kasten). Sie forschen und beraten zu Klimafolgen. Wie sieht Ihre Lobbyarbeit fürs Klima aus?
Ich habe mit dem Lobbybegriff Schwierigkeiten. Denn das Ziel des Klimazentrums, wo wir arbeiten, ist, die Einhaltung des Pariser Abkommens in seinen verschiedenen Facetten zu unterstützen. Das ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der letztlich dem Allgemeinwohl dient. Das ist aus meiner Sicht etwas anderes, als Partikular-Interessen eines Unternehmens zu vertreten.
Sie sind jedenfalls nicht nur Wissenschaftlerin, sondern auch Politikberaterin. Wen beraten Sie?
Wir beraten alle Parteien des demokratischen Spektrums. Mit unseren Arbeiten zu Klimasicherheit sprechen wir insbesondere das Außenministerium, das Verteidigungsministerium und das Entwicklungsministerium an. Wir hatten kürzlich auch eine große Veranstaltung mit Vizekanzler Robert Habeck bei uns. Da geht es um öffentlichen Austausch, um Gespräche, auch mit Parlamentariern, um Anhörungen im Bundestag. Ich halte es für wichtig, die Debattenräume offen zu halten, den Austausch zu suchen. Respektvoll, auch wenn es hitzig wird.
Wie etwa beim Atomausstieg?
Den ziehen tatsächlich viele wieder in Zweifel. Ich habe den Ausstieg befürwortet und tue es immer noch. Man kann viel über das Wie diskutieren, aber es war ökonomisch und umweltpolitisch die richtige Entscheidung.
Hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing Sie schon angerufen? Der könnte womöglich Hilfe brauchen, schließlich hat sein Ressort die abgesprochenen Klimaziele nicht erreicht.
Wir arbeiten nicht konkret zur Verkehrswende in Deutschland, außer dass mein Mitarbeiter ein Papier zur Geopolitik von Elektromobilität geschrieben hat. Wir fokussieren uns auf die Klimaaußenpolitik. Aber natürlich ist es extrem kritikwürdig, dass die Sektorenziele im Verkehrsministerium nicht eingehalten werden.
Bleiben wir in Deutschland: Was muss besser werden bei der Energiewende in Deutschland?
Wir müssen die Entbürokratisierung weiter voranbringen. Es muss erleichtert werden, in großen Städten Solardächer aufzubauen. Regularien, die den Bau von Windkraft hemmen wie die immer noch problematischen Abstandsregeln in Bayern, sollten weiter gelockert werden, um die Bürokratie auf ein sinnvolles, effizientes Maß zu beschränken. Und natürlich die Abschaffung fossiler Subventionen. Das geht nicht schnippschnapp, aber der Zeithorizont sollte festgelegt und kommuniziert werden.
Von Deutschland in die Welt: Die G20-Staaten haben sich bei ihrem Treffen in Washington kürzlich wieder zur Abkehr von fossilen Brennstoffen bekannt. Ist das ein Zeichen für Vernunft oder doch nur eine weitere folgenlose Erklärung?
Wir müssen von den Absichtserklärungen endlich in die Umsetzung kommen. Und das findet auf nationalstaatlicher Ebene statt. Die G7 haben schon mehrfach angekündigt, fossile Subventionen abzuschaffen. Das ist bisher nicht erfolgt. Ich würde auch den Steuernachlass beim Diesel darunter fassen, den es in Deutschland immer noch gibt. Wir brauchen nicht neue Ziele, die sind im Pariser Abkommen genannt. Jetzt geht es darum, wie wir sie umsetzen.
Und immer noch gibt es Klimaleugner, vor allem bei Rechtspopulisten. "Die Energiewende darf nicht zum Futter der AfD werden", sagt Till Kellerhoff, Programmdirektor des Club of Rome. Sehen Sie die Gefahr auch?
Innerhalb der AfD wird sowohl der menschgemachte Klimawandel angezweifelt als auch die Förderung von Erneuerbaren Energien in Frage gestellt. Ja, die Gefahr ist groß, dass Klimaschutz in diesen populistischen Strömungen sehr stark polarisierend benutzt wird. Das fördert Widerstand gegen die Transformation.
Hinter Widerstand steckt auch die Angst vor den Kosten der Transformation. Sprechen wir über Geld. Der kürzlich veröffentlichte Oxfambericht über Ungleichheit nimmt die 50 reichsten Menschen unter die Lupe und zeigt deren Fußabdruck bei Transport und Investments.
Die Nutzung von Superjachten und Privatjets ebenso wie die Investitionen in fossile Industrien führen zur Zementierung des Emissionswachstums. Aber natürlich stellt sich bei einer solchen Akkumulation von Wohlstand auch die Frage, wie viel Einfluss hat diese Personengruppe auf die Politik? Wie groß der ist, sehen wir derzeit am Beispiel Elon Musk und seinem Support für Donald Trump. Die USA steht bei dieser Präsidentenwahl vor dem Scheideweg, was die industrielle Transformation betrifft. Donald Trump ist Klimaleugner, Kamala Harris hat Umweltgerechtigkeit als Profil.
Was haben Sie im Gepäck, wenn Sie nächste Woche zur UN-Weltklimakonferenz nach Baku fahren?
Diese tolle Hülle (hält sie in die Kamera) habe ich bekommen, um mein Mobiltelefon vorm Abhören zu schützen. In Aserbaidschan ist ein Regime an der Macht, das vor drastischen Maßnahmen gegen Kritiker nicht zurückschreckt. Das Abhören von Handies von NGOs gehört dazu oder der Versuch, bei Gipfelteilnehmern Spionagesoftware draufzuladen.
Sie scheinen gewappnet. Auch vor Enttäuschungen?
Meine Erwartungen an die Verhandlungen in Baku sind gering. Aber bei aller Kritik an dem sehr langsamen Vorangehen ist dieses multilaterale Forum wenigstens nicht komplett blockiert. Meine Hoffnung ist, dass es mehr Zusagen für die Finanzierung des Klimaschutzes gibt. Gerade vor dem Hintergrund der Extremwetterereignisse der letzten zwölf Monate dürfen wir den Kopf nicht länger in den Sand stecken. Allen Haushaltszwängen und Krisen zum Trotz. Man müsste ja verrückt sein, wenn man die Welt nicht verändern wollte.
3 Kommentare verfügbar
Werner
am 10.11.2024Klar, die Reichen und Schönen haben Sonderregelungen, war schon immer so und wird auch immer so bleiben.
Aber das wirklich tragische ist, dass noch nicht einmal diejenigen die sich als die großen…