Nicht nur das nötige Kleingeld aufzutreiben entpuppt sich als Herausforderung. Die Stuttgarter Beratungsfirma Drees & Sommer hat die Organisationsstruktur der Stuttgarter Verwaltung untersucht und dazu einen 90-seitigen Bericht vorgelegt. Darin heißt es: "Eine fehlende sektor- bzw. referatsübergreifende Koordination, unklare Schnittstellen bzw. Zuständigkeiten, redundante Aufgabenverteilungen sowie nicht einheitliche Kommunikationsformate führen zu Ineffizienzen in den täglichen Arbeitsabläufen." Eigentlich wäre eine "verwaltungsinterne Zusammenarbeit der Schlüssel für die Umsetzung der Querschnittsaufgabe" Klimaschutz. Laut Drees & Sommer gebe es aber "persönliche Konflikte, die die Zusammenarbeit beeinträchtigen" und eine "nicht ausreichende Anerkennung der Stabstelle Klimaschutz auf Fachebene".
Dass die Stuttgarter Verwaltung mit Problemen zu kämpfen hat, ist ein offenes Geheimnis: angefangen mit einem eklatanten Personalmangel, mehrere Tausend Stellen sind nicht besetzt. Daneben gebe es laut Stadtrat Hannes Rockenbauch (SÖS) Schwierigkeiten mit den historisch gewachsenen Strukturen in der Verwaltung. Eine zentrale Ordnung zur Koordinierung von Klimaschutzmaßnahmen fehle. Das habe schon damit begonnen, als die Stadt 2003 die Energie- und Wärmeversorgung privatisierte und ihre Anteile an den Neckarwerken Stuttgart an die EnBW abtrat. Das Amt für Umweltschutz habe "als Lückenfüller" Kompetenzen für eine Energiewende aufgebaut, die in anderen Städten bei den Stadtwerken geblieben sind. 2011 hat Stuttgart dann wieder eigene Stadtwerke als kommunalen Strom- und Gasversorger gegründet – und eine Nebenfolge ist ein Flickenteppich an Zuständigkeiten.
Das Zwei-Grad-Ziel hat Stuttgart schon verfehlt
Hinzu komme laut Rockenbauch, dass die Stabstelle für den Klimaschutz zu klein sei, bei der Mobilität sei man in Stuttgart ohnehin hinterher. "Man kommt einfach nicht in die Pötte", urteilt der Stadtrat. Er wünscht sich eine "Klimakämmerei", die neben einem Geldbudget bei der Haushaltsplanung auch ein Budget für Treibhausgase aufstelle. Dieses sollte dann von Jahr zu Jahr schrumpfen und jede von der Stadt beschlossene Maßnahme auf deren Verträglichkeit mit dem Treibhausgasbudget abgeglichen werden.
In die Pötte zu kommen wäre auch deswegen wichtig, weil sich die Folgen des Klimawandels bereits bemerkbar machen. Zwischen den Jahren 2000 und 2021 sei bundesweit ein Schaden von mindestens 145 Milliarden Euro aufgrund des Klimawandels entstanden, bilanziert eine Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Bis 2050 wird der Klimawandel Deutschland demnach weitere 280 bis 900 Milliarden Euro kosten. Die Schäden durch Hitze, Extremniederschläge und Überschwemmungen sind vielseitig: weggespülte Häuser, ausfallende Lieferketten, hitzebedingte Todesfälle. Temperaturen von über 30 Grad tagsüber und 24 Grad in der Nacht beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit und den Schlaf – eine Körpertemperatur von über 41 Grad ist lebensgefährlich.
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Reinhard Muth
am 16.10.2024