Wenn ich gehe, heißt das nicht, dass ich verschwinde. Ich bin zu Fuß unterwegs, täglich gut sieben Kilometer, erzählt mir der Tachometer meines Taschentelefons. Diese Strecken lege ich ohne den geringsten Ehrgeiz zurück, ergibt sich so.
Regelmäßig komme ich im Schlossgarten an einem grün-schwarzen Transparent am Schauspielhaus vorbei: "Komm weiter", steht da in zwei Wörtern übereinander, und jedes Mal frage ich mich: Was meinen die? Vermutlich meinen sie, ich solle gefälligst darüber nachdenken, was sie meinen. Womöglich käme so mein Hirn ein Stück weiter. Das Transparent erinnert mich an unzählige Sitzungen, später Meetings genannt, in denen der Chef säuerlich ausstieß: So kommen wir nicht weiter! Bekanntlich sind das Einzige, was bei Meetings rauskommt, die Leute, die reingingen.
Beruflich weitergekommen ist inzwischen der überregional bekannte Fußballtrainer Jürgen Klopp. Nach seinem Abschied vom FC Liverpool wird er bei einem österreichischen Abfüller koffeinhaltiger Plörre als "Global Head of Soccer" einsteigen. Soccer verwechselt man hierzulande leicht mal mit Sucker. Unabhängig davon war unter rechtschaffenen Fans die Empörung über dieses Engagement so gewaltig, dass mir beim Lesen der Nachricht meine Red-Bull-Dose aus der Hand fiel. Werde aus Protest künftig nur noch Coca-Cola trinken. Bis der Kapitalismus mangels Wasser ausgetrocknet ist.
Überall Ikonen
Es wäre nicht ganz fair, Klopp als It-Girl des Männerfußballs zu bezeichnen. Auf dem Gebiet fußballerischen Weiterkommens hat er ja einiges geleistet. Seine mediale Dauerpräsenz als guter Mensch hat aber ebenso dazu beigetragen, ihn als "Ikone" zu feiern, wie sein markenfressendes Grinsgesicht mit blütenweißem Laborgebiss (strahlt noch glanzvoller als die Blendax-Maske des Stuttgarter Rathäuslers Nopper). Nebenbei: Das Wort Ikone geht mir mächtig auf den Zeiger, seit jede Popsängerin, deren Liedchen zweimal im Radio zu hören war, als solche gehandelt wird. Auf einer Litfaßsäule vor meiner Haustür wirbt eine Textilfirma für eine "ikonische 3-in-1-Jacke". Bei derart inflationär ausgetretener Wortkacke verzichtet man gern auf weitere Heilige.
Fußballtrainer auf Weltniveau gehören nicht zwingend zu meinem Stadtspaziergänger-Stoff, schon weil ich nie über die Dimension "Stuttgarter Kickers" hinausgekommen bin. Dummerweise jedoch ist Klopp in meinem Bierdeckelradius geboren: 1967 in Stuttgart. Zur Schule ging er in Freudenstadt im Schwarzwald. Und wie es in diesem Dschungel zugeht, lässt sich in "Black Forest", Wolfgang Schorlaus neuem Krimi, nachlesen. Anscheinend sind im Schwarzwald die Schurken auch nicht besser als in Österreich, wo besagter Dosenkonzern mit seinem Sender "Servus TV" politischen Führungsspielern auf Rechtsaußen eine Propagandaplattform bietet.
Fußball aber ist nicht unser einziges Leben, und so ziehe ich weiter durch die Stadt, immer öfter mit dem Gedanken, das ewige Weiterkommen auf den Straßen endgültig einzustellen. Ich werde müde angesichts der Weltlage, die ein böses Ende verspricht, wessen Ende auch immer. Zwar folge ich weiter meinem Mantra "Besser zu weit gehen als gar nicht". Aber altersbedingt müsste es selbst in CDU-Kreisen als "reguläre" und "legale" Migration durchgehen, wenn ich mich demnächst einfach auf den Arsch setze nach dem Motto: Hier bin ich, hier bleibe ich, ihr hohlen, menschenverachtenden Dosenköpfe.
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Felis
am 23.10.2024