Das Worst-Case-Szenario ist eingetreten: Nicht nur haben die USA Donald Trump zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt. Auch in Repräsentanenhaus und Senat verschieben sich die Mehrheitsverhältnisse zugunsten der republikanischen Partei, was ein Durchregieren erleichtert. Was das bedeutet, ist schwer auszumalen. Jeff Jarvis, renommierter Journalist und Medienexperte aus New York, hatte im Vorfeld der Wahlen betont: "Meine größte Angst ist nichts Geringeres als der Faschismus, wenn Trump wieder Präsident werden sollte." Damit zitiert ihn die Zeitschrift "Journalist", der er kürzlich ein Interview gegeben hat. Eigentlich geht es darin vor allem um den US-Journalismus, den Jarvis "in desaströsem Zustand" beziehungsweise "kaputt" sieht – weil die großen Medienhäuser miserabel geführt und kaum diversifiziert seien und weil die meisten US-Journalist:innen "die tieferliegenden Geschichten Amerikas" ignorierten – und damit die Ursachen von Rassismus, Autoritarismus und Faschismus.
Faschismus und Rechtsextremismus bedrohen auch bei uns die Demokratie. Wie dem zu begegnen sei, war am Dienstag vergangener Woche das Thema der vierten Auflage von "Kontext im Merlin". Im Stuttgarter Kulturzentrum Merlin ging es dabei besonders ausgiebig um die AfD – unter anderem um die Fragen, ob sie nun rechtsextrem sei und was von einem AfD-Verbot zu halten ist. Mit dabei: Georg Restle, der als Moderator des ARD-Politmagazins "Monitor" die AfD schon früh zum Schwerpunkt machte und für seine klare und kämpferische Haltung gegen rechts bekannt ist. Er sorgt sich nicht nur um Verharmlosungstendenzen in der Kommunalpolitik. Auch in seinem eigenen Metier, den Medien, sieht er bedenkliche Tendenzen: Die AfD werde schon jetzt oft nicht härter behandelt als andere Parteien, um deren Wähler:innen nicht vor den Kopf zu stoßen. Dabei hätten gerade die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine Verpflichtung, betont Restle. Aber er stellt fest: "Der antifaschistische Auftrag geht gerade baden."
Panikmache? Leider nicht, wie auch Kontext-Autor René Martens feststellt. Ob bei Migration oder Bürgergeld: In etablierten Medien bis hin zu den Öffentlich-Rechtlichen seien immer häufiger rechtes Framing und populistische Strategien erkennbar. Dass Boulevard-Medien wie die "Bild"-Zeitung gerne gegen vermeintlich massenhaft kriminelle Geflüchtete oder faule Bürgergeldempfänger hetzen, dürfte niemanden erstaunen. Aber wenn etwa in der ARD die Frage gestellt wird, "Wer ist vor allem verantwortlich, dass in den letzten Jahren so viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind?" und als Antworten nur Parteien vorgegeben werden, darf man sich zu Recht fragen, ob hier nicht ein paar Maßstäbe besorgniserregend verrutscht sind.
Gehörig verrutscht ist in letzter Zeit bereits einiges bei der "Schwäbischen Zeitung". Schon früher immer konservativ gewesen, ist die laut Selbstbezeichnung "Zeitung für christliche Kultur und Politik" zuletzt als immer krawalligeres AfD-Sprachrohr aufgefallen (Kontext berichtete), was nicht nur viele langjährige Leser:innen verstörte. Und so verstörte es auch manche, dass ausgerechnet einer, bei dem die Maßstäbe noch nicht verrutscht scheinen, kürzlich bei einer Veranstaltung der "Schwäbischen Zeitung" in deren Ravensburger Verlagshaus als Gastredner auftauchte: der "Süddeutsche"-Kolumnist Heribert Prantl. Kontext-Redakteur Josef-Otto Freudenreich hakte bei Prantl nach und war vor Ort – und stellte nicht nur fest, dass sich die SchwäZ die Veranstaltung des bürgerschaftlichen Vereins "Tavir" unter den Nagel gerissen hatte. Sondern auch, dass eine möglicherweise interessante Diskussion mit den obersten Köpfen und Kurswechselverantwortlichen der Zeitung ausblieb, weil diese nicht da waren. Mit einem antifaschistischen Auftrag sollte man ihnen vermutlich nicht kommen – wobei: Möglicherweise würden sie sich als dessen Fahnenträger sehen.
Sorry für den leeren Briefkasten
Es soll Menschen geben, die am Samstagsmorgen beschwingt zum Briefkasten gehen, weil sie sich auf die Wochentaz freuen. Nix war's damit am vergangenen Wochenende. Der Grund: Die Druckerei in Gießen hat es nicht geschafft, das 12-seitige Vorprodukt rechtzeitig in das Hauptprodukt einzulegen. Für Kontext besonders schmerzlich, weil wir, zusammen mit Stadtland, in diesem Vorprodukt stecken. Fazit: keine pünktliche Auslieferung, kaum Kontext für die taz-Kundschaft. Das tut uns leid, aber es gibt eine kleine Wiedergutmachung. Die Wochentaz vom 2. November findet man als Download unter dem Link Private Seafile.
Dieser Beitrag wurde am 6. November 2024 aktualisiert.
3 Kommentare verfügbar
Werner
am 07.11.2024Sorry, was ein Jeff Jarvis meint, ist seine persönliche Meinung und nicht mehr. Wenn sie z.B. Bill Smith aus Montana fragen würden, das ist ein Mechaniker spezialisiert auf die Reparatur von Dodge Limousinen,…