Keine klare Position zum AfD-Verbot hat CDU-Politiker Pauli. Es sei "das letzte Mittel". Die Expert:innen wie Radvan hätten "andere Flughöhen" als der Kommunalpolitiker und spricht von einer "Angstdebatte", die der AfD nütze. Er erklärt sich die Wahlerfolge der AfD so: Es gebe in der Bevölkerung eine "Vollkasko-Mentalität", dass der Staat alles regeln werde. Viele Menschen würden sich alleingelassen fühlen, meint Pauli und sagt: "Für mich ist die AfD immer noch eine große Protestbewegung." Das will Restle so nicht stehen lassen, die Partei sei längst keine Protestbewegung mehr. "Damit werden völkisch-nationalistische Ideen verharmlost." Nicht alle, aber ein relevanter Teil der Wähler:innen seien überzeugte Anhänger der Ideologie der Partei. Dass die AfD-Landesverbände im Osten laut Verfassungsschutz gesichert rechtsextrem sind, habe die Wähler:innen nicht abgeschreckt, im Gegenteil.
Doch Pauli erfährt an diesem Abend nicht nur Widerrede, sondern auch Worte des Lobes. Dafür, dass er sich nicht scheut, das Gespräch vor Ort zu suchen. Für ihn gewiss nicht immer ein Vergnügen. Beispielsweise als er im 600-Seelendorf Killer 40 Geflüchtete unterbringen wollte. Auf einer Infoveranstaltung wurde er dafür niedergeschrien. Tags zuvor tauchte er uneingeladen bei einem Infoabend des Ortsvorstehers auf. "Der Landrat muss gehen", habe das Publikum laut Pauli gefordert. "Wenn ich geblieben wäre, wäre das eskaliert."
Baseballschläger-Nazis sind Eltern junger Rechte
Wie kommt es überhaupt, dass vor allem unter jungen Menschen die AfD so beliebt ist, will Siller wissen. Die Pädagogin Radvan nennt zum einen die "historische Genese" und "Primärsozialisation": Diejenigen, die in den 1990ern als junge Rechte in den Baseballschlägerjahren agierten, seien heute die Eltern der jungen AfD-Wählerschaft. Und auch die Nazis aus den 90er-Jahren seien nicht "aus dem Off" gekommen. West- wie Ostdeutschland seien postnationalsozialistische Gesellschaften und auch im Osten habe es Nazis gegeben, die nicht – wie oft behauptet – erst nach der Wende aus dem Westen gekommen seien. Darüber hinaus wurden als Grund die sozialen Medien genannt. Die Corona-Jahre habe die Jugend in diesen verbracht, ohne dass es dort ein Korrektiv oder Bildungsangebote gegeben habe. Wenn da rechtes Gedankengut in "Dauerfeuer" eindrischt, habe das Folgen für Seele und Köpfe der Jungen. Dass nun beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk gekürzt werden soll, sei laut Radvan ein "fatales Signal."
Was also tun? Selbst mitmachen, sagt Pauli, also aktiv werden in einer Partei und der Jugendarbeit. Außerdem würden Politiker:innen an Stammtischen und Bürgertreffen fehlen. Ein Ventil werde gebraucht, wenn es in den Menschen kocht, Dampf ablassen gehöre dazu. Restle nennt das Stichwort "Counterspeech", also dagegenhalten. Rechte hätten Erfolg durch Lautstärke und Scheinmasse, im Netz noch viel stärker als in der realen Welt. Und er appelliert: dem "Versuch der Ermüdung nicht erliegen".
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