Jürgen Resch kann kämpfen. Der Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH) stand nach eigener Auskunft rund 5.000 Gerichtsverfahren durch – stets mit vorsichtiger Erwartung, sagt Resch, doch oft hat er recht behalten. Wenn sich dieser Haudegen nun Großes von einem juristischen Schlagabtausch in Stuttgart erwartet, dann horcht man auf.
Ab dem 12. Februar befasst sich das Verwaltungsgericht Stuttgart mit der geplanten Abhängung der sogenannten Gäubahntrasse vom Hauptbahnhof Stuttgart. Resch ist optimistisch, dass die Klage der DUH ein Erfolg werden kann, falls sie nicht gleich daran scheitert, dass der Richter der 8. Kammer sie aus formalen Gründen für unzulässig hält. In einem elektronischen Rundbrief an Unterstützer und Förderer hat Resch seine Zuversicht ausgedrückt, "dass wir diese Klage bereits in der ersten Instanz gewinnen werden". Es wäre ein Totalschaden für die Stuttgart-21-Unterstützer und letztlich auch für den Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU).
Abhängung der Gäubahntrasse heißt: Es geht um die immer wieder diskutierte Kappung zweier Gleise zwischen dem Bereich Nordbahnhof und dem Hauptbahnhof Stuttgart – ausgelöst von einer Neuordnung im Gleisvorfeld des heutigen Kopfbahnhofs, die dem Projekt Stuttgart 21 und dem Bau der neuen S-Bahn-Station Mittnachtstraße geschuldet ist.
Pläne über den Haufen geworfen
Was auf dem Spiel steht, ist mit dem Wort Gäubahn-Anbindung allerdings unvollkommen betitelt. Es geht um nicht weniger als um eine durchgehende, kundenfreundliche Verbindung Stuttgart–Zürich, die den Schweizern selbst im jetzigen Zustand seit Langem als zutiefst verbesserungswürdig gilt. Es ist eine Verbindung mit großer Geschichte. Denn einst konnte der Bahnkunde von Stuttgart nicht nur via Singen am Hohentwiel und Schaffhausen nach Zürich fahren, sondern mit demselben Zug weiter nach Mailand.
Dass eine Kappung der verniedlichend Gäubahntrasse genannten Strecke in Stuttgart angedacht ist, war eigentlich seit Langem klar. Das Plazet dafür ist in der Genehmigung der Stuttgart-21-Pläne enthalten. Doch damals wurde auch ausgemacht, dass die Abhängung vom Endhalte- und Startpunkt Stuttgart-Hauptbahnhof nur sechs Monate währen solle, weil im raschen zeitlichen Anschluss die Gäubahnzüge an Stuttgart-Vaihingen vorbei oberirdisch zwischen Böblingen und S-21-Neubauten am Flughafen rollen sollten – schließlich allerdings unten in den neuen Durchgangsbahnhof im Stadtzentrum statt wie bisher in den Kopfbahnhof. Doch die damaligen Pläne sind längst über den Haufen geworfen.
Stuttgart 21 kostet inzwischen offiziell 11,5 Milliarden Euro und wird nur in Etappen in Betrieb genommen. Nicht in den ursprünglichen Plänen enthalten war die Idee, ergänzend zwischen dem Flughafen und Böblingen einen höchst kostspieligen Pfaffensteigtunnel zu bauen statt einer konventionelleren Verbindung für Mischverkehr aus Regionalzügen und S-Bahnen. Auf den Pfaffensteigtunnel haben sich diverse Partner zwar vertraglich verständigt, seine Finanzierung aber steht auf tönernen Füßen und er kann allerfrühestens in etwa acht Jahren fertig sein. Doch die Gäubahn soll – nach diversen Verzögerungen – nunmehr am 24. April 2026 abgehängt werden.
Das bedeutet: Die Züge sollen nicht bloß ein halbes Jahr in Stuttgart-Vaihingen Endstation haben, die Fahrgäste werden dort mindestens sechseinhalb Jahre zum Umsteigen zwischen Fern- und Regionalzügen sowie S-Bahnen oder Stadtbahnen gezwungen sein. Oder noch viel länger. Oder für immer? Der DUH-Chef Resch ist nämlich überzeugt, dass der Pfaffensteigtunnel nie gebaut werden wird. Der Aufwand rund um diesen Tunnel werde jetzt schon auf drei Milliarden Euro taxiert, doch dabei werde es nicht bleiben.
Gäubahn-Anrainer sind verärgert
Dazu kommt, dass die Bahn auch bei der Digitalisierung der Signaltechnik im neuen Bahnknoten Stuttgart ihren Durchsagen hinterherhinkt. Die Zweifel der Bahnkritiker an einer dichteren Zugfolge auf Bahn- und S-Bahn-Gleisen und im neuen Tiefbahnhof wachsen daher weiter. Die Fragen tauchen wieder auf, ob doch dauerhaft zwei Gäubahngleise zum Kopfbahnhof erhalten werden müssen, vielleicht auch weitere der bisherigen oberirdischen Gleise – oder womöglich alle 16.
Die Hängepartien sorgen dafür, dass nun schon seit Jahren die Oberbürgermeister der Städte zwischen dem Hohentwiel und dem Böblinger Flugfeld gegen den DB-Plan Sturm laufen. Jetzt haben sie noch Auftrieb erhalten. Baden-Württembergs Grüne pochten bei ihrem Landesparteitag kürzlich auf eine ununterbrochene Anbindung des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Und der designierte CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2026, Manuel Hagel, erklärte, dass er die Oberbürgermeister aus dem südlichen Landesteil mit ihrem Amtskollegen Frank Nopper zusammenbringen will; mit dem Mann also, der möglichst schnell alle Gleise hinter dem Kopfbahnhof abbauen will, um dort rund 5.700 Wohnungen für mehr als 10.000 Einwohner zu errichten.
4 Kommentare verfügbar
Ludwig G.
vor 1 Wochehttps://youtu.be/WY4OvfGHtpI?feature=shared