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Nebeneinkünfte

Vertrauen durch Transparenz

Nebeneinkünfte: Vertrauen durch Transparenz
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Rheinland-Pfalz prescht als erstes Bundesland vor und veröffentlicht seit diesem Jahr die Einnahmen von OberbürgermeisterInnen und LandrätInnen. Wie sieht's mit dem Offenlegen von Nebeneinkünften in den Rathäusern und Chefetagen von Kreisverwaltungen in Baden-Württemberg aus?

Die insgesamt 103 OberbürgermeisterInnen in Baden-Württemberg sind mit besonderen Machtbefugnissen ausgestattet und gelten zugleich als vielbeschäftigt. Im Rathaus haben sie eine Dreifachfunktion: ChefIn der Verwaltung, Vorsitzende/r des Gemeinderats und Repräsentant/in der Gemeinde nach außen. Nicht umsonst bezeichnen manche Kommunalrechtler die auf Zeit gewählten Gemeindeoberhäupter als "kleine Herrgöttle". Viele dieser Rathauschefinnen und -chefs sitzen – wie auch im Nachbarland Rheinland-Pfalz – zudem noch in so manchem Aufsichts- oder Beirat. Wie sieht es also im Land aus mit der Transparenz?

Öffentliche Rechenschaft

Im Juni dieses Jahres wurde in Rheinland-Pfalz erstmals öffentlich Rechenschaft abgegeben. 36 LandrätInnen und OberbürgermeisterInnen haben demnach im Jahr 2020 mehr als 750.000 Euro mit ihren Nebentätigkeiten eingenommen. Nach einer gemeinsamen Analyse durch das Recherchenetzwerk "Correctiv.lokal" und dem SWR stach dabei etwa der CDU-Landrat des Kreises Trier-Saarburg besonders hervor. Neben seinem Grundgehalt von knapp 120.000 Euro nahm er nebenbei mehr als 160.000 Euro ein. Unter anderem aus seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat des Energieversorgers RWE. Bei einigen der  OberbürgermeisterInnen im Nachbarbundesland liegen die Nebeneinkünfte jeweils bei etwa 20.000 Euro. Besonders stark gemacht für die neuen Transparenzregeln hatten sich in Mainz die Grünen – seit 2011 Teil der SPD-geführten Landesregierung.  (jl)

Diese Frage stellt sich auch bei insgesamt 35 Landrätinnen und Landräten im Südwesten. Etwa bei deren VertreterInnen in Klinikverbünden auf Kreisebene. Oder aber bei den Köpfen des Zweckverbands Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) – einem wichtigen Player am Energiemarkt, der 46,75 Prozent Anteile des Energieerzeugers EnBW hält. Wie viel verdient etwa der Verbandsvorsitzende der OEW so nebenbei? Seit 2016 sitzt auf dem Chefsessel der CDU-Politiker Lothar Wölfle, der seit 2007 im Hauptberuf Landrat des Bodenseekreises ist. Die Frage bleibt unbeantwortet: Weder der Haushaltsplan, noch der jährliche Beteiligungsbericht des Bodenseekreises geben dazu Auskunft. Ebensowenig wie über die Verdienste seiner Stellvertreter Wolf-Rüdiger Michel (ebenfalls CDU) und Stefanie Bürkle, der zuletzt wiederholt hochgepriesenen CDU-Nachwuchshoffnung, die seit 2014 Landrätin von Sigmaringen ist.

Die Frage der Transparenz stellt sich vor allem bei den Oberbürgermeistern im Land, besonders bei den RathauschefInnen der insgesamt neun kreisfreien Städte, die teilweise jährliche Haushaltsvolumina in Milliarden-Höhe umsetzen, und oft auch Aufgaben der Daseinsvorsorge für umliegende Gemeinden und Kreise mit erledigen: Ob es sich da nun um Heidelberg, Freiburg, Mannheim, Karlsruhe oder Stuttgart handelt oder um die eher "kleinen" Großstädte wie Ulm, Heilbronn, Pforzheim oder Baden-Baden.

Unergiebige Suche

Wer Genaueres wissen will, landet schnell in einem schwer zu durchdringenden Gestrüpp aus Beamtenrecht und Nebentätigkeitsverordnungen. Oder aber – wie bei Mannheim oder Karlsruhe – bei den 700 und mehr Seiten umfassenden jährlichen Haushaltsplänen. Suchläufe nach dem Begriff  "Nebentätigkeit" führen nur bedingt zu Treffern, etwa im Fall Karlsruhe auf Seite 638: beim Geschäftsführer Eigenbetrieb Gewerbeflächen (mit dem Betrag 6.000 Euro). Bei Dezernenten oder gar dem Oberbürgermeister – in Karlsruhe heißt der Amtsinhaber seit 2013 Frank Mentrup, in Mannheim seit 2007 Peter Kurz, beide von der SPD – glatte Fehlanzeige.

Angesichts derart verwinkelter oder unergiebiger Suchen wollte man in Rheinland-Pfalz nun Abhilfe schaffen: eine Folge der so genannten "Thüga-Affäre". Die Gruppe gehörte zeitweilig zu der E.ON-Tochter "E.ON Ruhrgas" , wurde später rekommunalisiert, und weiterveräußert an mehrere Stadtwerke-Gruppen in Frankfurt, Nürnberg oder die "Kom9" in Freiburg. In den Zeiten des Umbruchs schien untergegangen zu sein, dass sechs Bürgermeister aus Rheinland-Pfalz, die ihre jeweiligen Stadtwerke im Beirat oder Aufsichtsrat des Kommunalkonzerns vertraten, die dafür erhaltenen Vergütungen als private Nebeneinnahmen behalten hatten, statt sie an die Stadtkasse abzuführen.

Das hätten sie laut Ablieferungspflichten aber tun müssen. Nach Recherchen des Südwestrundfunks (SWR), der die Affäre im Juli 2019 ins Rollen brachte, kassierten so sechs der neun Thüga-Beiräte aus Rheinland-Pfalz insgesamt mindestens 220.000 Euro ab, die eigentlich den Kommunen gehörten. Am meisten profitiert hatte diesen Recherchen zufolge der frühere Koblenzer Oberbürgermeister mit mehr als 130.000 Euro. Das führte in Mainz zu einer Neuregelung der Transparenz-Richtlinien. Nun müssen einmal im Jahr die Zahlen offen gelegt werden.

Solche Ablieferungspflichten gibt es auch in Baden-Württemberg. Und zwar schon seit 1972. Die Geschäftsführerin des Städtetags im Südwesten, Gudrun Heute-Bluhm, glaubt gar, dass das Ländle "die strengste Ablieferungspflicht aller Bundesländer für hauptamtliche Kommunalpolitiker/innen" habe. Die ergibt sich aus dem Beamtenrecht – und der "Landesnebentätigkeitsverordnung". Heute-Bluhm sagt: "Wir liefern an die Stadt alles über 6.100 Euro im Jahr ab, was im Zusammenhang mit dem Amt an Vergütungen bezahlt wird. Das wird sehr restriktiv ausgelegt und gilt für alle Beteiligungen der Städte und deren Aufsichtsräte." Die Juristin war von 1995 bis 2014 Oberbürgermeisterin der 50.000 Einwohner zählenden Kreisstadt Lörrach und sollte es wissen.

Nur der Dienstherr kennt die Nebeneinkünfte der OBs

Doch wer bekommt davon Kenntnis, wenn es tatsächlich so streng gehandhabt wird? Und um welche Art von Nebentätigkeiten geht es bei den gesetzlichen Vorgaben? Das könne man, so die Sprecherin der Geschäftsführerin beim Städtetag, "aus Haushaltsplänen erkennen" oder auch bei der Verwaltung nachfragen. Aber warum macht man es der Öffentlichkeit nicht einfacher? Etwa indem man die Nebeneinkünfte auf der städtischen Website veröffentlicht?

Der Ulmer Rathauschef Gunter Czisch, seit 2016 im Amt, sagt auf Kontext-Nachfrage: "In Baden-Württemberg gilt die Regelung, dass alle Beamten – auch die Wahlbeamten – ihre Nebentätigkeiten und -einkünfte dem Dienstherrn melden müssen. In meinem Fall ist der Dienstherr das Regierungspräsidium." Öffentlichkeit und Transparenz sieht anders aus. Doch "akuten Handlungsbedarf" sieht Czisch nicht. Der CDU-Mann ist beispielsweise Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm und der Ulm-Messe GmbH.

Den Handlungsbedarf kann man in Friedrichshafen erkennen, der mit 61.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt am Bodensee. Friedrichshafen ist weltberühmt geworden durch Zeppelin und Dornier. Die Nachfolgebetriebe des Grafen Ferdinand von Zeppelin sind bis heute fester Bestandteil der Stadt: etwa des Flugzeugkonzerns Dornier, der einstigen Motoren- und Turbinen-Union (heute Rolls Royce) und der weiter das Stadtbild prägenden Zahnradfabrik ZF, die mit 15 Milliarden Euro Jahresumsatz, vielen Niederlassungen und 130.000 Mitarbeitern zu den größten Automobil-Zulieferbetrieben der Welt zählt.

Früher war der Oberbürgermeister von Friedrichshafen qua Amt Aufsichtsratschef der ZF, was erst zu Beginn der 2000er-Jahre geändert wurde. Der OB bleibt jedoch weiter ein gewichtiges Mitglied des ZF-Aufsichtsrats. Schließlich ist die der Stadt gehörende Zeppelin-Stiftung der Hauptanteilseigner des Automobilzulieferers. Der Vorsitzende der Zeppelinstiftung ist bis heute stets der Oberbürgermeister der Stadt Friedrichshafen. Laut einer Recherche des Südkurier von 2019, die so von der Stadt bestätigt wird, erhält Oberbürgermeister Andreas Brand (parteilos) bis zu 200.000 Euro und mehr jährlich für seine Nebenjobs in Aufsichtsräten und Beiräten bei städtischen- und Stiftungsunternehmen. Die höchsten Dotierungen: der Aufsichtsrat bei der ZF und der Vorsitz bei der Zeppelin-Stiftung.

Transparenz sieht anders aus

176.000 Euro waren das 2017, im Jahr danach flossen schon 225.000 Euro aus diesen beiden Tätigkeiten an den OB. Mehr als 6.100 Euro darf auch er nicht behalten. Über den Großteil dieser Bezüge entscheidet er dennoch: Das Geld aus der ZF und besagter Stiftung, muss gemäß den Richtlinien der Zeppelin-Stiftung verwendet werden. Es landet bei der Stadt auf einem Sperrkonto und kann von Brand nach Gutdünken "für gemeinnützige und mildtätige Zwecke" verteilt werden. Gemäß einer Neuregelung vor mehr als 20 Jahren.

Doch darüber erfuhr die Öffentlichkeit zuletzt durch journalistische Recherchen – nicht etwa durch den so genannten jährlichen "Beteiligungsbericht", den jede größere Stadt nach gesetzlichen Vorgaben erstellen muss für die städtischen Tochterunternehmen. Die Namen ZF und Zeppelin-Stiftung tauchen dort nicht auf. Brands Sprecherin widerspricht auch der am See häufig gehörten Meinung, dass der OB von Friedrichshafen aufgrund seiner Funktionen zu den "Bestverdienern" seines Berufsstandes gehöre. Die Sprecherin der Stadt ist sinnigerweise gleichzeitig Sprecherin der Zeppelin-Stiftung – die regelmäßig gern gesehene Liquidität in städtische Vorhaben spült. Vor der Jahrtausendwende flossen Vergütungen von ZF und Stiftung in Teilen noch in die Taschen der jeweiligen Rathauschefs – das bleibt nach diversen Recherchen von Journalisten unwidersprochen. "Ein OB muss Bezüge über 6.100 Euro hinaus abliefern. Bei den Vergütungen von ZF und Stiftung habe ich nie nachgefragt, sondern das als Privatsache des Oberbürgermeisters angesehen", sagt ein früherer Wahlbeamter über diese Zeit.

Es bleibt eine Grauzone zwischen der im Gesetz von 1972 festgelegten "Ablieferungspflicht", und dem, was dort als "kommunale Tätigkeit" gilt. Das zeigt der Fall "Thüga" in Rheinland-Pfalz. Zumindest in der Zeit, als der Dienstleister noch zum Konzern "E.ON" gehörte, konnten die Vergütungen für Beiratssitzungen und andere Nebentätigkeiten als private Einnahmen betrachtet werden. Das zeigt auch der Fall Friedrichshafen, wo kommunale Entscheider in Sachen ZF und Zeppelin-Stiftung erst kurz vor der Jahrtausendwende eine Neuregelung vor Ort umsetzten. Aber wie sieht es bei den Oberschwäbischen Elektrizitätswerken (den OEW) aus? Reichen die bestehenden Richtlinien?

CDU-Landtagsfraktion sieht keinen Handlungsbedarf

Eine Nachfrage bei den im Landtag vertretenen Parteien ergibt ein gemischtes Bild. "Wir sehen aktuell keinen Handlungsbedarf, was die Transparenzpflicht für Nebeneinkünfte von OBs und Landrätinnen anbetrifft", sagt ein Sprecher der CDU-Fraktion. Dies sei in der Fraktion bisher auch kein Thema. Ähnlich klingt das bei der FDP. "Eine Transparenzpflicht für Nebeneinkünfte von Oberbürgermeistern und Landräten war bislang kein Beratungsgegenstand bei uns. Wenn man sich die gemachten Angaben in Rheinland-Pfalz anschaut, so handelt es sich fast ausschließlich um Aufsichtsratsmandate, die einen Zusammenhang zur Tätigkeit als Oberbürgermeister und Landrat aufweisen," sagt die innenpolitische Sprecherin der FDP/DVP Fraktion, Julia Goll. Solche Mandate unterlägen bereits heute "einer umfassenden Kontrolle durch das jeweilige Gremium", ergänzt sie.

Etwas anders sieht das der SPD-Abgeordnete Sascha Binder. "Eine Verpflichtung wie in Rheinland-Pfalz, dass Kommunalbeamte auf Zeit einmal jährlich in öffentlicher Sitzung ihres kommunalen Gremiums über Art und Umfang ihrer Nebentätigkeiten sowie erzielte Vergütungen berichten, ist sehr sinnvoll", sagt der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion. Dies diene letztlich auch "der Stärkung des Vertrauens in die Arbeit der kommunalen Wahlbeamten". Diese dürfen freilich, anders auch als etwa Bundestagsabgeordnete, von vorneherein keine zusätzliche eigene wirtschaftliche oder berufliche Betätigung ausüben.

"Grundsätzlich gelten bei Kommunalbeamten schon umfangreiche Genehmigungs-, Anzeige- und Ablieferungspflichten für Nebentätigkeiten", lässt Uli Sckerl wissen, der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen. Mehr Transparenz bei Nebeneinkünften von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, Landrätinnen und Landräten sei "kein Gegenstand des Koalitionsvertrags", sagt er. Die in Mainz erlassene Regelung bezüglich der Transparenz nach außen erscheine ihm "aber gleichwohl interessant".


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2 Kommentare verfügbar

  • Jue.So Jürgen Sojka
    am 20.07.2021
    Antworten
    „Nur der Dienstherr kennt die Nebeneinkünfte der Obs“ – Und, wer ist Dienstherr? Wie ALLE, das Volk, ganz oben angesiedelt! ► GG Art. 20 „(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. …“
    Wer sich auf das nach diesem Satz Folgende einengt, tut dies selbst in eigener Verantwortung!!!

    Zustimmen muss…
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