Jetzt richtet sich die Debatte zu Recht auf die Steuerschlupflöcher großer Unternehmen. Denn der Wettbewerb ist nicht fair, wenn kleine Unternehmen brav ihre Einkommenssteuer entrichten und globale Unternehmen sich arm rechnen und deshalb nichts zahlen müssen. Dass Irland da unter Druck geraten ist, um wenigstens den Double Irish ...
... die Umsätze einer Firma werden als Lizenzgebühren an eine andere verschoben und damit Steuern umgangen ...
... zu schließen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Klar freu ich mich darüber.
Es bleiben noch genug andere Steuerparadiese: Die britischen Kanalinseln, der US-Staat Delaware gehören dazu, um nur mal die beiden Länder zu nennen, die jetzt Irland unter Druck gesetzt haben.
Auch die Patentbox in Großbritannien ermöglicht Unternehmen das Steuersparen, auch der Weg über Fonds in Luxemburg ist weiter ein Riesenärgernis, klar. Aber in Irland ist zumindest etwas passiert. Das ist ein Fortschritt, übrigens auch für Irland. Denn bei diesem Verschiebesystem erfolgt ja keine wirkliche Wertschöpfung. Die funktioniert nur mit Firmen, in denen Menschen arbeiten. Das macht Irland reich und nicht durchlaufende Gelder. Ein Briefkasten hat nun mal wenig Angestellte.
Sie wollen das Machtkartell aus Wirtschaft und Politik zerschlagen. Too big to fail darf es nicht mehr geben. Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren – das soll der Vergangenheit angehören, schreiben Sie in Ihrem Buch "Machtwirtschaft – Nein Danke". Sind Sie eigentlich in der falschen Partei? Wären Sie bei Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht nicht besser aufgehoben?
Nein, ich bin schon bei den Richtigen. Die zentrale Antwort auf diese Fragen heißt Europa, und dieser Ansatz hätte bei den europakritischen Linken überhaupt keinen Platz. Außerdem bin ich ein überzeugter Marktwirtschaftler und halte Verstaatlichung nicht für die richtige Antwort. Es geht darum, die Banken auf eine Größe zu bringen, dass sie noch beherrschbar sind. Wer wie die Deutsche Bank eine Bilanzsumme von zwei Billionen Euro verantwortet und Derivatevolumen in Höhe von 55 Billionen, kann nicht mehr wirklich steuern, was passiert. Es besteht die Gefahr, dass in solchen Instituten problematische Geschäfte laufen, ohne dass die Vorstände das wissen. Und wenn Unternehmen so groß sind, dass sie nicht mehr gesteuert werden können, dann müssen sie kleiner werden. Die Risiken trägt sonst die Allgemeinheit, und das hat dann mit Marktwirtschaft nichts zu tun.
Bisher haben sich die Grünen wenig hervorgetan durch linke Wirtschaftspolitik. Themen wie gerechte Eigentumsordnung oder Umverteilung werden nicht als zentrale grüne Anliegen wahrgenommen. Und Jürgen Trittin, der die Bundestagswahl 2013 mit Steuergerechtigkeit gewinnen wollte, ist kläglich gescheitert.
Das schlechte Wahlergebnis vom Herbst hat verschiedene Ursachen. Es ist nicht sichtbar geworden, warum es uns Grüne braucht, es fehlten klare Machtoptionen. Und in der Steuerpolitik waren wir für die inhaltlich richtige Auseinandersetzung mit den großen Vermögen und den großen Unternehmen strategisch zu schlecht aufgestellt.
Das heißt konkret: Sie hatten mit Ihrem linken Kurs nicht die nötige Unterstützung in der Partei?
Wenn Sie große Veränderungen wie die Korrektur der Vermögensverteilung angehen wollen, müssen Sie schauen, dass die ganze Partei gemeinsam unterwegs ist. Außerdem kann man nicht an allen Schrauben gleichzeitig drehen. Wir sind uns in der Partei einig, dass wir zu einem ökologischen Umbau der Gesellschaft auch einen ökonomisch-sozialen Umbau brauchen. Inzwischen sagen ja mit der IWF-Chefin Christine Lagarde und dem Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen zwei linker Umtriebe völlig unverdächtige Menschen, dass die hohe Konzentration von Vermögen ein Hemmnis für eine gute wirtschaftliche Entwicklung ist. Ich hätte mir gewünscht, dass wir diese inhaltliche Unterstützung schon im Wahlkampf gehabt hätten. Denn es geht bei Verteilungsfragen nicht nur um Gerechtigkeit, sondern auch um die wirtschaftliche Zukunft. Wer im Interesse unserer Wirtschaft wirtschaftliche Stabilität für die Zukunft schaffen will, muss die hohe Konzentration von Vermögen korrigieren.
Das müssen Sie aber manchen Realpolitikern in Ihrer Partei noch beibringen. Die Grünen diskutieren derzeit lieber den Freiheitsbegriff als die Zerschlagung eines Machtkartells aus Politik und Wirtschaft, wie Sie das gerne hätten.
12 Kommentare verfügbar
Schwabe
am 04.11.2014Applaus - für diesen kurzen, geistreichen und treffenden Kommentar!