Herbert Landau ist Experte für Transparenz. Denn er hat sich, wie unter Kennern des Bundesverfassungsgerichts erzählt wird, vor zehn Jahren monatelang mit der Verhinderung derselben befasst. Rot-Grün beschloss kurz vor der Bundestagswahl 2005 ein Gesetz, wonach Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte vorlegen und ihr Mandat in den Mittelpunkt aller Tätigkeiten rücken mussten. Friedrich Merz, damals Fraktionschef der Union, besaß nicht weniger als elf Jobs, klagte zusammen mit mehreren Kollegen in Karlsruhe und unterlag denkbar knapp in einer Vier-zu-Vier-Entscheidung. Der Vorsitzende Richter im Zweiten Senat, Winfried Hassemer, brachte trotz intensiver Gespräche keine Mehrheit gegen die Offenlegung zu Stande. Mit ihm stimmte allerdings Landau gegen die Transparenz, warnte vor einer "publizistische Prangerwirkung" und sprach von einem "Neidkomplex" in der Bevölkerung, der faktisch "als Schranke für Berufstätige" wirken könne, ein Mandat zu übernehmen.
Beste Voraussetzungen also für das neue Amt in Stuttgart, das er im September antreten soll. Der Zeitplan hat nicht nur damit zu tun, dass die Verursacher des <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik raffkes-mit-mandat-4198.html internal-link-new-window>peinlichen Pensionsdesasters – die Fraktionen von Grünen, CDU und SPD – die Bundestagswahl vorüberziehen lassen wollen. Zu peinlich war im Februar die Rückkehr der Abgeordneten ins lukrativere staatliche System eingefädelt und im Schnellverfahren durch den Landtag gepeitscht worden. Nach immenser öffentlicher Aufregung trat der Landtag auf die Bremse. Jetzt soll eine externe Expertenkommission Vorschläge zur Altersversorgung der Abgeordneten machen. Herbert Landau ist deren künftiger Vorsitzender.
Und der hätte vor September auch gar keine Zeit. Der Siegener mit der ungewöhnlichen Karriere vom Bäckersohn, über ein Studium der Sozialwissenschaften zum Juristen, Staatssekretär und anerkannten Bundesverfassungsrichter ist inzwischen so etwas wie ein fahrender Kommissionsvorsitzender. Kein Vierteljahr nach seiner Verabschiedung in den sogenannten Ruhestand im vergangenen Sommer übernahm er die Leitung eines Gremiums, das die sächsische Staatsregierung eingesetzt hat, um die Hintergründe und Fehler bei der Fahndung nach dem Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr aufzuarbeiten, der sich in der Haft in Leipzig das Leben genommen hatte.
Seit Ende März beschäftigt auch der Thüringer Landtag den früheren Strafrechtler. Und zwar mit der Aufklärung einer technokratischeren, aber gleichwohl delikaten Frage. Hintergrund ist die Tatsache, dass die CDU zwar in der Opposition sitzt, aber als größte Fraktion den Landtagspräsidenten und damit auch die Landtagsdirektorin stellen darf. Letztere habe Kompetenzen überzogen, sagen die Regierungsfraktionen, Zensurvorwürfe stehen im Raum. Eine externe Kommission soll nun unter der Leitung von Landau die Abgrenzung der Stellung der Verwaltung zu Mehrheit und Minderheit durchleuchten. Auch in diesem Fall wurde dem ehemaligen Verfassungsrichter und seinem Team eine eigene Geschäftsstelle eingerichtet. Die allerdings lässt die Möglichkeit, Anfragen von Kontext zu Ausstattung und finanziellem Aufwand zu beantworten, ungenutzt verstreichen.
Kommunikation hinter verschlossenen Türen
Trotz des Erfurter Auftrags ist Landau dem Stuttgarter Ruf gefolgt. Insgesamt, mit Kommission und Bürgerbeteiligung, kostet das neue Verfahren 400 000 Euro. Dass Landaus Honorar in Höhe von 125 000 Euro für eine derartige Aufregung sorgen könnte, "hat keiner auf dem Schirm gehabt", heißt es in der Landtagsverwaltung. In Dresden und Erfurt sind die Rahmenbedingungen weiterhin Verschlusssache, wie übrigens der gesamte Abschlussbericht in Sachen al-Bakr, der als vertraulich eingestuft wurde. Für Baden-Württemberg legte Parlamentspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) die Rahmenbedingungen dagegen offen. Nicht nur Abgeordnete bis hoch zur Villa Reitzenstein rieben sich die Augen, als publik wurde, dass Landau in Stuttgart "orientiert an dem Einkommen eines aktiven Richters am Bundesverfassungsgericht" (14 700 Euro pro Monat) tätig werden soll und dieses üppige Honorar nicht angerechnet wird auf seine ebenfalls großzügigen Ruhestandsbezüge.
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Joachim Frenzel Paal
am 12.06.2017