Die CDU hat in ihrem zweiten Koalitionsvertrag mit den Grünen vieles unterschrieben, was mit dem eigenen Wahlprogramm wenig zu tun hat – in der Klima- und in der Verkehrspolitik, bei Energiewende und Schuldenbremse. Einiges wird Auslegungssache werden und anderes schon aus Finanzierungsgründen nicht so heiß gegessen wie gekocht. Manches wiederum ist so formuliert, dass kein Platz ist für Interpretationskämpfe. "Die Entkoppelung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg steht im Zentrum unserer gemeinsamen Politik", heißt es beispielsweise im Grundschulkapitel. Deshalb wolle die Landesregierung "in eine sozialindexbasierte Ressourcenzuweisung einsteigen und dabei unterschiedliche Voraussetzungen von Standorten unterschiedlich behandeln". Im Klartext: Schulen für Kinder vom Killesberg müssen künftig mit weniger Unterstützung auskommen als solche auf dem Hallschlag.
Die Idee ist alt. Und zwar so alt, dass es einer ganzen Generation von CDU-BildungspolitikerInnen peinlich sein müsste, nicht weitergekommen zu sein auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit. Schon 1970 gibt die Kultusministerkonferenz (KMK) als Leitlinie für die Arbeit vor allem an Grundschulen aus, dass auch die Politik Verantwortung "für eine solidarische Kultur des Aufwachsens und der Bildung" trägt. Mehrfach werden die Beschlüsse fortgeschrieben, bis sie 2007 in eine Selbstverpflichtung der KMK münden, "ungleiche pädagogische Ausgangslagen in der Schulfinanzierung ungleich zu behandeln".
Nicht so im Südwesten. Die ohne Zweifel auch für ihre konservative Bildungspolitik immer wieder gewählte CDU übersetzte solche Vorgaben zunächst in das unerreichte Ziel, die Zahl der AbbrecherInnen in fünf Jahren zu halbieren. Später werden mit erheblichem Kostenaufwand Haupt- zu Werkrealschulen aufgewertet und beharrlich alle Studien negiert, ignoriert oder diskreditiert, die längeres gemeinsames Lernen und Lehren als einen Schlüssel zum Bildungsaufstieg erwiesen. Vor allem aber gehörte es zum Weltbild, die peinlichsten Ergebnisse von Studien kleinzureden, in denen Baden-Württemberg gegenüber anderen OECD-Staaten oft ganz schlecht abschnitt. Wenn PISA, IGLU oder TIMMS auch nur einen Abstieg beim Lesen, in Mathe oder den Naturwissenschaften belegten, war die Aufregung zwar groß, doch zugleich kam das Versagen in Fragen des Bildungsaufstiegs über eine Fußnote nicht hinaus.
Schulen in schwierigem Umfeld brauchen mehr Geld
Dabei war der überdurchschnittlich starke Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und den ermittelten Kompetenzen längst nachgewiesen. "Durch das starre Festhalten an früher sozialer Selektion", kritisierte der damalige SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler schon vor 16 Jahren, "verbaut die Landesregierung vielen Kindern aus sozial schwächeren Familien die Chance auf einen höheren Bildungsabschluss und damit die Hoffnung auf eine bessere Berufs- und Lebensperspektive."
6 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 22.06.2021Weg mit den Einschränkungen, die zu Beschränktheit führt!!!
Am Vormittag die Wiederholung von BR alpha aus der Sende-Reihe „respekt“ vom 04.11.2019 Demokratie lernen – was sich an schulen ändern muss https://www.br.de/extra/respekt/demokratie-lernen-demokratieerzi…