Einschlägige Portale im Netz werden noch deutlicher und diskutieren ein internes Gutachten, wonach der Dienst sich nach einer Account-Kündigung vorbehält, nicht alle Daten zu löschen. "Dass die Geschäftsführung über die Sicherheit so offen gelogen hat, macht Zoom zum No-Go für sämtliche wichtigen Prozesse in der Wirtschaft, für Behörden oder in der Politik", heißt es in einer Info für österreichische Lehrkräfte. Brink sucht jetzt das Gespräch mit "Zoom"-Verantwortlichen, um sich deren Ideen zum weiteren Vorgehen darlegen zu lassen.
"Gibt es keine Lösung, wird es eng", heißt es unter Beamtinnen im Kultusministerium. Denn auch und gerade im Hause von Susanne Eisenmann (CDU) ist bekannt, wie schlecht es um die Digitalisierung der Schulen im Land wirklich steht: viel zu wenige Laptops, viel zu geringe Serverkapazitäten, seit Jahren kaum Fortbildungen. Erfreulich sei, so die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz, "dass 'Moodle' als datenschutzfreundliche Plattform für alle Schulen bereitgestellt wurde". Das – vom Datenschutzbeauftragten ebenfalls als beste Variante vorgeschlagene – Videokonferenzsystem "BigBlueButton" folgt aber gerade erst. "Und wenn das Rollout so langsam verläuft wie geplant, wird es noch Monate dauern, bis alle Schulen damit arbeiten können", erläutert Moritz.
Fortbildungsoffensive im Orkus verschwunden
Noch schlimmer sieht es bei der Weiterbildung von Lehrkräften aus, die seit Mitte der 1980er-Jahre von Fachleuten angemahnt wird, aber ausgerechnet im vergleichsweise reichen Baden-Württemberg, das so viel Wert auf seine Innovationskraft legt, noch nie in ausreichendem Umfang stattfand. "Vor zwei Jahren lag ein Konzept für eine große Fortbildungsoffensive zur Digitalisierung vor", erinnert die GEW-Vorsitzende. 2.500 Fortzubildende aus allen Schularten hätten qualifiziert werden sollen. Der Entwurf sei aber "sang- und klanglos zwischen Kultusministerium und Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung untergegangen".
Das Zentrum, abgekürzt ZSL, war ebenso wie das Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) aus dem Boden gestampft worden, weil Eisenmann die bis dahin unabhängige Arbeit zur Beratung der Schulen, zur Erstellung von Materialien, zur Qualitätssicherung oder Weiterbildung unter das Dach ihres Hauses holen wollte. Eigentlich sollte die neue Struktur schon vor einem Jahr funktionsfähig sein. Ein Wasserschaden in dem für das ZSL angemieteten Gebäude und ein damit verbundener aufwendiger Umzug sind äußeres Zeichen vieler interner Schwierigkeiten. Ein "Desaster" befürchtete die SPD-Landtagsfraktion im Februar, weil die Lehrerfortbildung nicht in die Gänge komme, und da war noch nicht einmal das digitale Angebot gemeint. Tatsächlich musste ZSL-Chef Thomas Riecke-Baulecke einräumen, dass von 190 Stellen erst etwa 110 und in den Außenstellen im Land nur die Hälfte der 140 Stellen besetzt sind. Und wer die Internet-Info zu den "Kernaufgaben" liest, findet das Stichwort "Digitale Werkzeuge" mühsam im Kleingedruckten.
Wie immens der Nachholbedarf ist, zeigen die vielen Forderungen der gerade gegründeten "Initiative für Digitalisierung" (IfD). In diesem Bündnis haben sich führende Verbände im Land zusammengetan, die für Zehntausende Lehrkräfte und Eltern stehen, unter anderen die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Verband Bildung und Erziehung (VBE) oder der Verein für Gemeinschaftsschulen. In einem Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Kultusministerin Susanne Eisenmann sowie zahlreiche Regierungsmitglieder und Landtagsabgeordnete wird "die hundertprozentige Grunddigitalisierung" verlangt. Konkret: die Ausstattung aller Kinder und Jugendlichen mit Geräten, Vereinbarungen über Qualität und Geschwindigkeit der Internetversorgung sowie eine belastbare LAN- und WLAN-Struktur, eine einheitliche Mailadresse für alle, ein Messenger-Dienst sowie Chat-, Telefon- und Videokonferenztools.
"Die Engagierten sind immer die Gekniffenen"
Die Infrastruktur müsse schnell geschaffen werden, heißt es seitens der IfD weiter. Jedoch ist der Satz älter als die Eltern der GrundschülerInnen im Land. Und es ist keineswegs so, dass die BildungspolitikerInnen davon überrascht sein können. Der "Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest" hat nach bereits zwei Wochen Homeschooling eine Sonderbefragung zum Lernen der neuen Art durchgeführt. Dokumentiert ist, wie Mädchen besser mit der veränderten Situation zurechtkommen als Jungs, weil sie mehr Zeit mit Lernen verbringen, wie intensiv Youtube oder Whatsapp genutzt werden oder dass sich ein Viertel der Kinder und Jugendlichen den Computer, den sie für die Erledigung von Aufgaben benötigen, mit jemandem teilen müssen. Besonders aufschlussreich das Fazit: "Dass bei nur etwa einem Fünftel der Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen eine digitale Lernplattform beispielsweise eine Schulcloud zum Einsatz kommt, dokumentiert den Nachholbedarf bei digitalen Bildungsanwendungen."
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Rainer Stieber
am 12.05.2020Eine wesentliche Ursache des Tiefschlafs sind die Juristen in den Ministerien und nachgeordneten Behörden. Bei denen stelle ich immer wieder fest, dass die…