Doch, das geht auch! Im Jahr 1948, mitten in den Trümmern von Berlin, hat Billy Wilder eine Komödie gedreht. In "A Foreign Affair" schwebt ein US-Flugzeug ein, und da unten sieht man, soweit das Auge reicht, nur Ruinen. Aber die Deutschen sind schon wieder am Aufleben, Marlene Dietrich als Ex-Nazi-Geliebte etwa, die sich nun einen US-Offizier geangelt hat. Sie singt in einem Nachtclub den Friedrich-Hollaender-Song "Black Market". Es gibt ja noch allerhand zu verkaufen, notfalls den eigenen Körper. Dass Wilders Film, von dem es übrigens keine deutsche Fassung gibt, so abgeklärt und mit robustem Zynismus auf dieses Treiben schauen kann, liegt natürlich auch daran, dass der vor den Nazis geflüchtete Regisseur jetzt von außen auf jene Stadt blickt, aus der er vertrieben wurde. Oder war Wilder gar nicht so abgeklärt, hat er sich diese Sichtweise nur abgerungen, vielleicht aus Selbstschutz? Als ihm einer seiner Crew beim Drehen sagte, er habe ein bisschen Mitleid mit den Deutschen, brach es aus Wilder heraus: "Zur Hölle mit diesen Bastarden! Sie haben den größten Teil meiner Familie in ihren Öfen verbrannt! Ich hoffe, sie brennen in der Hölle!"
Das Leben wieder lieben lernen
Noch einmal der Blick von außen: Im selben Jahr wie Wilder und ebenfalls in den Trümmern von Berlin dreht der italienische Regisseur Roberto Rossellini den Film "Deutschland im Jahre Null". Der zwölfjährige Edmund Köhler (Edmund Moeschke), ein blonder Junge in kurzen Hosen, irrt durch eine Welt, in der er keinen Halt findet, und stößt auf seinen früheren Lehrer, einen Altnazi und Pädophilen, der ihm davon erzählt, dass man das Schwache ausrotten müsse. Der Junge setzt dies in die Tat um und vergiftet seinen kriegsversehrten Vater. Am Ende stürzt er sich von einer hohen Ruinenwand in den Tod. "Deutschland im Jahre Null" ist das abgrundtief düstere Schlussstück einer neorealistischen Rossellini-Trilogie, deren erste beide Teile "Rom offene Stadt" (1945) und "Paisa" (1946) vom Kriegsende in Italien erzählen. Der Pessimismus wird auch kaum gemildert durch einen Satz, den Rossellini den Zuschauern mitgibt: "Sollte jedoch jemand glauben, nachdem er diese Geschichte von Edmund Köhler miterlebt hat, es müsste etwas geschehen, man müsste den deutschen Kindern beibringen, das Leben wieder lieben zu lernen, dann hätte sich die Mühe desjenigen, der diesen Film gemacht hat, mehr als gelohnt."
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Waldemar Grytz
am 11.05.2020Informationen bei der Friedrich-Wolf-Gesellschaft: www.friedrichwo…