Die Opposition ist da naturgemäß viel deutlicher und verteilt weniger aufbauende Zensuren. Zwar hält sich Vorgänger Andreas Stoch, der SPD-Fraktions- und Landesvorsitzende, milde zurück. Dafür geht Stefan Fulst-Blei, der Bildungsexperte unter den Abgeordneten, in die Vollen: "Frau Eisenmann ist auf jeden Fall stark versetzungsgefährdet." Sie stehe nämlich bei zwei klaren Fünfen, eine, was die Kommunikation angeht, und die andere im Fach Digitalisierung: "Aber auch nur, weil sie wenigstens die Bundesmittel der SPD verdoppelt hat. Ansonsten hat sie bei der Digitalisierung unserer Schulen alles an die Wand gefahren." Für die FDP empfiehlt Timm Kern, gleich ganz auf die Sommerpause zu verzichten – also um die nach der Zeugnisverteilung in der Regel wohlverdienten Ferien.
Schlechte Noten in Kommunikation und Digitalisierung
Ohnehin hat die Ministerin schon deutlich bessere Zeiten gesehen. Eine Zwei Minus stellte ihr der Landesschülerbeirat vor zwei Jahren aus, weil sie "sehr ehrlich" und "sehr konkret" sei. Kritisiert wurde allein, dass es noch immer keine institutionalisierten Möglichkeiten im Unterricht gebe, um Lehrkräften die Ansichten der beschulten jungen Menschen über die Qualität ihres Tuns zu vermitteln. Sprich, also auch offen über Schwächen zu besprechen oder ganz grundsätzlich Kritik zurückzuspiegeln: "Man sollte doch die Abnehmer fragen, wie sie das Produkt finden." Rückmeldungen könnten "unmittelbar eine mögliche Informationsquelle für eine qualitative Unterrichtsentwicklung sein und die gegenseitige Wertschätzung steigern". Von Ziffernnoten wollte aber selbst dieses Beratungsgremium der Ministerin auf keinen Fall lassen.
Der Streit um Festhalten, Abschaffen oder zumindest Ergänzen ist uralt, wie so viele bildungspolitische Auseinandersetzung im Land. Anfang der Neunziger Jahre mündete er zuerst in einen "Runden Tisch" und dann in die Empfehlung, in Grundschulen auf Berichtszeugnisse umzusteigen. Vor allem CDU-BildungspolitikerInnen sahen Ansporn wie Leistungsbereitschaft bedroht. Eine Argumentation, an der sich bis heute nichts ändern sollte, trotz PISA-Schock und des Abstiegs Baden-Württembergs in zahlreichen Vergleichsstudien. Eisenmann stellte einen unter Grün-Rot gestarteten Schulversuch zur Grundschule ohne Noten ein. 2018 legten die Schwarzen in ihrer "Schönthaler Erklärung" wieder einmal ein Bekenntnis zum Leistungsprinzip ab. Manches darin ging sogar der promovierten Germanistin zu weit, so dass Generalsekretär Manuel Hagel sie "liebevoll einhegen" musste. Dass "der Lernerfolg an allen Schularten durch Notengebung vergleichbar und messbar sein muss", blieb aber Teil des Papiers, in dem – auferstanden aus der Mottenkiste – Frontalunterricht als "effektive Unterrichtsform" gelobt und die Einführung von verpflichtenden Diktaten verlangt wird.
Zahlreiche Internetportale unterstützen Lehrkräfte, die nicht allein auskommen wollen mit der althergebrachten Skala von "sehr gut" bis "ungenügend". Auf einem davon wäre schon der erste Satz ein Volltreffer, um für Eisenmanns fiktives Abschlusszeugnis die Vorzüge einer Beurteilung in wohlgesetzten Worten statt in nackten Noten zu zeigen. In Ziffern würde sie in der Kategorie "Sozialverhalten" wohl mit einer Vier rechnen angesichts der viele Vorwürfe vor allem im zweiten Schulhalbjahr. Im Berichtszeugnis hingegen stünde aufmunternd unter anderem: "Durch freundliches Auftreten könntest Du größere Anerkennung erlangen."
Kretschmanns Herausforderin: zunehmend dünnhäutig
Und die könnte sie bestens gebrauchen. Seit einem Jahr ist sie die offiziell gekürte CDU-Herausforderin von Winfried Kretschmann. Oft kommt es nicht vor, dass MinisterInnen des kleineren Koalitionspartners gegen den Regierungschef des größeren antreten. Aber an dieser Front lässt sich die frühere Stuttgarter Schulbürgermeisterin bisher nichts zuschulden kommen. Heikler wird es, wenn sie anderweitig auf Kritik und Widerspruch stößt. Selbst unter besonders wohlwollenden ParteifreundInnen ist – hinter vorgehaltener Hand, versteht sich, und nie und nimmer offiziell – nicht nur ihre Dünnhäutigkeit zunehmend ein Thema, sondern auch ihre Neigung, freundliche Hinweise auf Debattierstil und Tonlage ins Leere laufen zu lassen.
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