Gelegentlich gab es sogar etwas zu lachen am 9. Mai, in der Sitzung des Stuttgarter Gemeinderats. Etwa weil Stadtrat Bernd Klingler – früher FDP, dann AfD, jetzt BZS 23 – es als kapitalen Widerspruch auffasste, dass Hannes Rockenbauch, Vorsitzender der Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-PluS, eine „Überrumpelung“ des Gemeinderats beim Telekom-Vertrag monierte, zugleich aber erwähnte, dass das Thema in den vergangenen Monaten im Wirtschaftsausschuss des Gemeinderats beraten wurde. Irgendwann krakeelte Klingler aus voller Kehle: „Jetzt gebet Sie selber zu, dass mer drüber gsproche hen!“ Worauf Oberbürgermeister Fritz Kuhn den pöbelfreudigen Parteienwechsler in väterlichem Tonfall ermahnte: „Jetzt mäßigen Sie sich mal, Herr Klingler, jetzt haben Sie sich so schön die Haare gerichtet.“ Eine Anspielung auf Klinglers leicht herausstechenden, blondierten* Schopf, der jede 80er-Party schmücken würde.
Damit hatte es sich auch schon mit der Heiterkeit. Was Rockenbauch beklagte, war vor allem eine fehlende Diskussion im Plenum des Gemeinderats und in der Öffentlichkeit, seitdem im Juli 2018 eine Absichtserklärung zwischen der Telekom und der Region Stuttgart unterzeichnet worden war, um die Region flächendeckend mit einem Glasfasernetz zu versorgen. Gekoppelt mit der Absicht, auch den Ausbau des neuen Mobilfunkstandards 5G voranzutreiben.
Den Zuschlag hatte die Telekom nach einer Anfrage an verschiedene Unternehmen im Frühjahr 2018 bekommen, da offenbar nur sie den gesamten Anforderungskatalog erfüllen konnte. In dem Kooperationsvertrag geht es um sehr viel Geld: Die Telekom verpflichtet sich, zusätzlich zu ihrem eigenwirtschaftlichen Ausbau in Höhe von 600 Millionen Euro weitere 500 Millionen zu investieren. Unter der Voraussetzung, dass die beteiligten Kommunen einen ebenso hohen Betrag an Sach- und Fördermitteln bereit stellen. Public Private Partnership, kurz PPP, nennt man solche Kooperationen privater Unternehmen mit öffentlichen Akteuren, bei denen Kritiker immer wieder bemängeln, dass im Zweifel, wenn etwas schiefgehe, vor allem die öffentliche Hand die Kosten zu tragen habe. Die Telekom hat sich bei den Verhandlungen zumindest schon weitreichende „Unterstützungsleistungen der Kommunen“ ausbedungen (siehe Kasten).
Dass nun das größte europäische Telekommunikationsunternehmen den Zuschlag bekommt, darüber sind viele Kommunen gar nicht begeistert. Insbesondere weil sich die Telekom in den vergangenen Jahren nicht unbedingt damit hervorgetan hat, das Land flächendeckend mit Glasfaserkabeln zu versorgen. Das Unternehmen ist sogar berüchtigt dafür, vor allem etwas abgelegenere Regionen, wo es sich für sie zu wenig lohnt, beim Ausbau außen vor zu lassen. Um nicht in Abhängigkeit zu geraten, will innerhalb der Region Stuttgart schon jetzt Schorndorf den Glasfaserausbau selbst in die Hand nehmen. Auch eine Großstadt wie München geht den Weg des Netzausbaus mit eigenen Stadtwerken.
Keine Zeit für Debatten
Ein zentraler Punkt in der Debatte ist laut Rockenbauch die Daseinsvorsorge: Mit der Kooperationsvereinbarung werde eine Weichenstellung für die nächsten Jahrzehnte vorgenommen – und sich hier so sehr von einem privatwirtschaftlichen Akteur abhängig zu machen, sei gefährlich.
Grundsätzliche Gegner des Glasfaserausbaus sind die Kritiker im Stuttgarter Gemeinderat nicht. Es gehe ihnen nicht um das Ob, sondern um das Wie. „Wir sind die letzten, die das in der Substanz verzögern wollen“, sagte Rockenbauch im Gemeinderat. „Aber wir wollen eine sachgerechte Debatte. Das braucht Zeit.“
6 Kommentare verfügbar
PeterPan
am 18.05.2019Die Rolle von H. Schuster ist mit dem Hinweis darauf dass "es keinen Kontakt mit H. Schuster gab" nicht…