Wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, wie unterschiedlich CDU und Grüne ans Regieren herangehen, Agrarminister Peter Hauk hätte ihn geliefert: Sein Haus schreibt (noch) einen neuen Wettbewerb aus, dieses Mal, um Baden-Württemberg zum Blühen zu bringen. "Beteiligen sollen sich Kommunen sowie zum Beispiel Vereine, Verbände, Kirchen, Schulen, aber auch Bürgerinnen und Bürger im ganzen Land, und die besten Kooperationen und nachhaltigsten Projekte werden am Ende ausgezeichnet", heißt es in den Erläuterungen, die Hauk kurz vor den landesweiten Kommunalwahlen am 26. Mai mit dieser Forderung verbindet: Die Stadt Stuttgart möge doch gefälligst das Stück Rasen auf dem Kernerplatz zum Wohle wilder Bienen in eine Blumenwiese verwandeln und damit ökologisches Engagement demonstrieren.
Der Appell fällt auf fruchtbaren Boden. Denn die Landeshauptstadt ist über das Wettbewerbs- und Projektstadium längst hinaus. Seit zwei Jahren gilt eine Artenschutzkonzeption, fachlich ausdifferenziert, mehr als 300 Seiten stark und bundesweit beachtet. Etwa 200 Tier- und Pflanzenarten sind aufgelistet, 24 Biotop-Typen identifiziert und 20 Pilotflächen in der Pflege, etwa die Magerrasen der Egelseer Heide in Stuttgart-Rotenberg, der Waldrand am Lemberg in Stuttgart-Feuerbach oder der Probstsee in Stuttgart-Möhringen. Detailliert beschrieben werden darin zahlreiche Zusammenhänge, zum Beispiel, wie der Druck auf naturnahe Flächen durch Erholungssuchende wächst. Vor allem dann, wenn auch noch in "Rasenmäher-Mentalität" unverhältnismäßig häufig geschnitten und so die Nahrung für Insekten, Wildbienen und Vögel dezimiert wird. Sogar Werbegeschenke sind angepasst: Verteilt werden nachhaltige Bleistifte, die, wenn sie zum Schreiben zu kurz geworden sind, in einem Blumentopf landen und ihn alsbald mit Vergissmeinnicht füllen.
Bleistifte zu Blumentöpfen
Im Südwesten startet jetzt ein Volksbegehren. Die InitiatorInnen honorieren alle großen und kleinen Anstrengungen. Trotzdem reichen sie nicht aus. Nicht die Aufstockung des Naturschutzhaushalts für ganz Baden-Württemberg, nicht das im November 2017 gestartete und immerhin 35 Millionen Euro schwere "Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt". Vor allem die Grünen in der Koalition sind unter Druck. Nach acht Jahren Regierung müssen sie immer weiter liefern und den eigenen hohen Ansprüchen gerecht werden. Unvergessen die blaue Sonnenblume, mit der die eben erst gegründete Kleinpartei vor genau 40 Jahren in ihren ersten Europawahlkampf zog. Unvergessen der Kaktus, den der Abgeordnete Holger Heimann Lothar Späth 1980 bei dessen Wiederwahl als Ministerpräsident überreichte, samt Ernest Callenbachs "Ökotopia", einen visionären Roman über eine alternative, gesamtgesellschaftlich getragene Zukunft zum Wohle des Planeten. Immerhin fühlte Späth sich damals angeregt, eine Politik anzustoßen, die die Grünen binnen weniger Jahre wieder überflüssig machen sollte.
1 Kommentar verfügbar
Rikki
am 15.05.2019G5 und Artenschutz wie geht das?
Betonierung, incl Sand/Zementindustriealisierung und Blümchenwiesen, WOW!
Gehobene Wohnanlagen incl Hotelneubauten, incl Eventcentre, Tourismussteigerung und Bienensammelstellen auf Miniquadratmeter, genial!
Rechnet…