An Klartext ist kein Mangel: "Wer solche 'Genossen' wie Stephanie Bernickel und Leon Hahn in seinen Reihen hat, der braucht keine Feinde mehr:" Oder: "Das ständige Beschwören eines Miteinanders klingt hohl und zynisch." Oder: "Da gibt es eine Clique, die euch Schaden zufügt, und zu viele sehen wortlos zu." Natürlich ist es leichter, sich in der digitalen Welt die Meinung ins Stammbuch zu schreiben, als sie sich in der analogen ins Gesicht zu sagen. Seit die rechtswidrige Weitergabe von SPD-Mitgliederdaten Ende vergangenen Jahres publik wurde, melden sich im Netz regelmäßig GenossInnen mit moralischen Appellen, mit Forderungen nach einschneidenden Veränderungen oder nur mit Sarkasmus: "Wir brauchen nur noch ein paar Wir-Kongresse, Miteinander-Manifeste und (...) schon ist 'eine neue Kultur' etabliert und Verband und Partei sind gerettet."
Schön wär's. Die Wirklichkeit ist allerdings eine andere. Gescheitert sind bisher alle Versuche, ernsthaft die jüngere Vergangenheit einer Partei aufzuarbeiten, die sich im Südweststaat mittlerweile am Rande der prozentualen Einstelligkeit bewegt. Nur vor dem Hintergrund dieses dramatischen Niedergangs der beiden vergangenen Jahrzehnte ist die Daten-Affäre überhaupt zu verstehen. Jetzt muss eine parteiinterne Kontrollkommission ran, um bis zum 11. Mai – und damit zwei Wochen vor den Kommunal- und -Europawahlen – eine Bewertung zu liefern. Schon allein deshalb wird es das fällige Großreinemachen nicht geben.
SPD-Datenaffäre: Lehrstück für forschen Machtanspruch
Seit der Zeit von Ute Vogt, die 1999 in Friedrichshafen in einer Kampfabstimmung gegen Wolfgang Drexler Parteichefin wurde, haben im Landesverband die vielbeschriebenen NetzwerkerInnen das Sagen. Eine Gruppierung, die kein Flügel sein will, speziell in linken Ideen einen Mix aus Irrtum und Zeitverschwendung sieht, zugleich überall mitmischen und Einfluss gewinnen möchte, gern auch über das Erobern wichtiger Posten und Pöstchen. Gegenseitig stützen sie sich auf dem Weg nach oben, ziehen Strippen und können längst auf eine beachtliche Riege von SozialdemokratInnen verweisen, die Mitglieder sind oder den Netzwerkern nahestehen: Sigmar Gabriel, Olaf Scholz, Hubertus Heil, Thomas Oppermann, Vogt selber und Nils Schmid zählen zu der Truppe von Agenda-2010-FreundInnen.
9 Kommentare verfügbar
Ute Vogt
am 10.04.2019